Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., NL 3/527
Baader, Emil; Gött, Maria Ursula [Gefeierte Pers.]
Nachlass Emil Gött (NL 3/527): Eines Dichters Mutter : Erinnerungen an Maria Ursula Gött
Freiburg im Breisgau, [um 1961]
Seite: 1
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Eines Dichters Mutter

Erinnerungen an Maria Ursula Gött

Freiburg. Es gibt im badischen Land kaum
eine Mutter, die eine ergreifendere Grabstätte
gefunden hätte als Maria Ursula Gött, die Mutter
des zeit seines Lebens nach höchsten Idealen
ringenden Dichters Emil Gött.

Neben den schönen Gräberstraßen des Freiburger
Gottesackers bildet die Ruhestätte für
Mutter und Sohn einen Friedhof im Friedhof.
Ein kleiner Wiesenplatz ist umhegt von hohen
Baumhecken. In wundersamer Einsamkeit ruhen
die beiden. Auf dem schlichten Grabmal des
Dichters liest man die Worte: „Emil Gött, geboren
13. Mai 1864, gestorben 13. April 1908."
Auf jenem der Mutter steht geschrieben: „Maria
Ursula Gött, 1842 — 1927." Vom Geist der beiden
zeugt ein Vers des Sohnes auf einem bescheidenen
Mal:

Über allen Wolken
bist du, o Sonne.
Über aller Nacht
ist Licht.

Uber all dem dunklen Weh der Welt
schwebt der Feuerball der Wonne.
Hebe dich Mensch, und verzage nicht.

Als Maria Ursula heimging —v 19 Jahre hat
sie ihren Sohn überlebt — schrieb ein Freund:
„Ihre lebensvoll Betagtheit war der Inbegriff
der Lebendigkeit. Bauernkind vom Kaiserstuhl,
früh Witfrau des städtischen Kanzlisten Gött;
Kinder hatte sie genug und Arbeit, die Sorgen
auch. Sie hatte zum ersten Sohn Emil Gött. Und
das besagt, wieviel sie mitgemacht. Sie ist den
Stationen dieses Leidensweges nachgegangen.
Jahrelang hat sie ums Brot hinterm Waschtrog
gestanden in Freiburg, sie hatte sich durchzubringen
. Indes er auf der Bauernhalde vor der
Stadt, erfüllt von Idealismus, jenes fast berüchtigt
gutherzige Leben führte, nach seinem Kopf.
Und man weiß, wie sehr er verschuldet war.
Sie hat zu ihm gehalten; sie hat an ihn geglaubt
. Sie hat nach seinem Tod ein Büchlein
erscheinen lassen, das für den Sohn wirkt. Es
ist gut zu lesen und greift ans Herz, diese
mütterliche Chronik ihrer schmerzensreichen
Erinnerungen."

Sie wußte, daß es noch ärmere Menschen gab.
„Nicht der ist arm, der wenig besitzt, sondern
der viel braucht", so lautet eine der Weisheiten,
die sie als Mitarbeiterin des „Lahrer Hinkenden
Boten" in ihrer volkstümlichen Art aussprach
. Mutter Gött schrieb aber nicht nur
Kalendergeschichten, ihre Feder brachte es
auch zuwege, daß für bedürftige Witwen gesammelt
wurde, daß die Suppenverteilung an
die Armen begann. Noch mit 75 Jahren humpelte
sie ins Lazarett, um Gutes zu tun. Von
ihrer Schriftstellerei sprach sie in den bescheidensten
Worten: -„Wer sein Leben lang
mehr gewaschen und gebügelt als geschrieben
hat, dem will der Satzbau nicht recht glücken.
Das beste Gedicht, das wir machen können, ist
unser Leben." Ihr hatte es der Sohn zu verdanken
, daß er ins Lahrer Gymnasium kam, wo
die Lehrer dem eigenwilligen Knaben mehr
Verständnis entgegenbrachten als in Freiburg,
und wo Direktor Theodor Weiland sein väterlicher
Freund wurde.

Als Gött sich im Sommer 1894 auf der Leihhalde
bei Zähringen sein Haus baute, da wußte
die Mutter wohl, daß aus dem Denker und
Dichter über Nacht kein Bauer werden konnte.
Sic warnte ihn, er möge nach den vielen Leidensstationen
seines Lebens sich nicht noch
einen Kalvaiienberg aufrichten. Und doch
sprach sie ihm Mut zu, als er das Werk begonnen
. Hatte der Sohn ihr doch geantwortet:
„Drei Dinge will ich erleben: Einen Fleck der
mütterlichen Erde auf das menschensinnig
schönst zu bebauen, ein vollendetes geistiges
Kunstwerk schaffen, stark, tief und schön, und
dann dem Auge der Frau begegnen, die beides
versteht und beides liebt und ehrt, sich in mir
sieht und darum in Notwendigkeit die meine
ist." Mit diesem Ziel und dem Wunsche, der
Mutter die Sorge des Alters zu nehmen, hat er
den Spaten ergriffen und sein Feld bestellt,
Sandgruben und Lehmbrüche angelegt, sich mit
Erfindungen abgequält, die zu spät kamen oder
von anderen ausgenutzt wurden. Für die Mutter
war keiner je so arm wie ihr Sohn. Sie mußte
Friedrich Hebbel lieben, den Maurersohn aus
Wesselburen, weil er kämpfte und litt wie ihr
Kind.

Vieles vom Sohn, den sie immer tiefer begriff
, ging auf das Wesen der Mutter über. Wie
beglückt war sie, als Männer wie Anton Fend-
rich sich für den Sohn einsetzten, als nach dem
Heimgang Emil Götts Hans Thoma, Emil Strauß,
Heinrich Vierordt, Max Bittrich, Hans Heinrich
Ehrler, W. E. öfering ihrer freundlich gedachten
!

Maria Ursula Gött war ihr Leben lang die
aufopfernde Mutter eines großen Idealisten, des
bedeutendsten badischen Dramatikers, des Dichters
und Denkers Emil Gött. E. B.

Die Mutter Emil Götts


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