Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., F 764,n - 23.1880
Die Bauhütte: Zeitung für Freimaurer
Leipzig, 1880
Seite: 361
(PDF, 136 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Freimaurer-Literatur

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Public Domain Mark 1.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/bauhuette1880/0368
m 46.

XXIII. Jahrgang.

Die

Itf

Begründet und herausgegeben
von

Be J. Gr. FINDEL.

Organ für die Gesammt-Interessen der Freimaurerei.

Leipzig, den 13. November 1880.

Von der „Bauhütte" erscheint wöchentlich eine Nummer (1 Bogen). Preis des Jahrgangs 10 Mark.
Die „Bauhütte" kann durch alle Buchhandlungen bezogen werden.

Inhalt: Lessing's Ansichten über Frmrei. II. — Die Vollberechtigung der deutschen Frmrlogen zur Feier des Kölner Dombaufestes. Vorgetragen am Stiftungsfeste
der Loge Amalia in Weimar. Von Br Putsche.— Feuilleton: Literarische Notiz. — Berichtigung zum Gedichte des Br Peschier.— Zur Besprechung.
— Anzeigen.

Lessing's Ansichten über Frmrei.

II.

Im zweiten Gespräche deutet Lessing, wie Bruder
Merzdorf richtig bemerkt hat, das Ziel der Menschheit
an und gibt er den Schlüssel zum Verständniss der
ganzen Dialektik zwischen dem Bestehenden und der
Idee des Semsollenden. Er weist an einem Ameisenhaufen
das Wesen der Gesellschaft nach. „Welche
Geschäftigkeit, und doch welche Ordnung! Alles trägt
und schleppt und schiebt und keines ist dem andern
hinderlich." Wie die Bienen, leben die Ameisen in
einer wunderbaren Gesellschaft ohne Regierung. „Ordnung
muss also doch auch ohne Regierung bestehen
können." Natürlich! „Wenn jedes Einzelne sich selbst
zu regieren weiss", d.h. also wenn der Begriff der vollkommenen
Selbstregierung und der Solidarität, der ver-
nunftgemässen Arbeit Eines für Alle und Aller für Jeden
verwirklicht ist. „Schade!", ruft Falk auf die Bemerkung
hin, dass die Menschen wohl schwerlich je dahin
kommen werden, aus Einsicht und sittlichem Triebe
ohne Regierung das zu thun, was Bienen und Ameisen
aus natürlichem Instinkte vollbringen. Auf das Wesen
der bürgerlichen Gesellschaft übergehend, lässt Lessing
seinen Falk eine Frage auf werfen, welche auf die heutigen
Verhältnisse noch genau so passt, wie auf die vor 100
Jahren: „Glaubst Du, dass die Menschen für die Staaten
erschaffen werden? Oder dass die Staaten für die
Menschen sind?" „Dieses mag wohl das Wahrere sein",
antwortet „Ernst" vorsichtig; denn damals gab es noch
keine Redefreiheit und war in der französischen Revolution
noch nicht dem Gedanken der Volkssouveränität,

wonach jedes Volk sich seine Regierung selber geben
kann, praktische Geltung gegeben. „Jenes" — dass
die Menschen um der Regierungen willen da seien —
„scheinen Einige behaupten zu wollen". Absolutistische
Regierungen handeln nach diesem Grundsatze und ergebene
Diener machen daraus ein Recht. „Die Staaten
vereinigen die Menschen, damit diese und in dieser
Vereinigung jeder einzelne Mensch seinen Theil von
Glückseligkeit desto besser und sicherer gemessen
könne. Das Totale der einzelnen Glückseligkeiten aller
Glieder ist die Glückseligkeit des Staats. Ausser dieser
gibt es gar keine. Jede andere Glückseligkeit des
Staats, bei weicherauch noch'so wenig einzelne Glieder
leiden, und leiden müssen, ist Bemäntelung der Tyrannei.
Anders nichts!" Ernst meint,, er möchte das nicht so
laut sagen, schon deshalb nicht, weil eine Wahrheit,
die jeder nach seiner eigenen Lage beurtheüt, leicht ge-
missbraucht werden könne. Ernst wird damit schon
als halber Frmr erklärt, weil er Wahrheiten kennt, die
man besser verschweigt und weil der Weise nicht sagen
kann, was er besser verschweigt. Seit Lessing's Tagen
haben sich nun freilich die sozialpolitischen Verhältnisse
gewaltig geändert, die Wissenschaft der Statistik
hat nachgewiesen, dass in der gegenwärtigen Gesellschaft
mindestens 70 Prozent der Staatsangehörigen,
also die weitaus grössere Mehrheit, kein genügendes
Einkommen hat und dass selbst dieses ungenügende Einkommen
nicht gesichert, sondern den Wechselfällen des
wirthschaftlichen Lebens unterworfen ist. Ja, was noch
mehr besagen will, die leidenden Klassen wissen, dass
ihnen der ihnen zukommende „Theil von Glückseligkeit"
versagt ist und „dass jede Glückseligkeit des Staats,


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/bauhuette1880/0368