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Kein Haus ermangelt des Zeichens des
Wohlstandes und der Hablichkeit, des Kassenschrankes
. Zierliche, gotische, sakraments-
häuschenartig in die Brandmauer der Wohnstube
eingelassene Nischen, mit oft bemalter
Eisentüre und dito Umrahmung, gehören
zur Raumzierde (sie sind heute meist unter
Täfer und Tapete verschwunden). Die durch
12 und 16 Riegel verschliessbaren Türen
sind wahre Kunstwerke des Schlosserhandwerkes
.
Das im 16. Jahrhundert erbaute Bürgerhaus
bildete grundrisslich den Ursprungstypus
der noch bestehenden Bauten in Stadt
und Kanton bis ins 19. Jahrhundert hinauf.
Der Kern dieses Hauses, abgesehen von den
späteren Neubauten, ist noch in den meisten
Gebäuden grösstenteils erhalten geblieben.
Änderungen von Parterre und ersten Stock
haben in neuerer Zeit die Magazinbauten
veranlasst.
Viele Herrschaftshäuser hatten ihre
eigenen, päpstlich privilegierten Hauskapellen
, so das Hertensteinhaus in der dritten
Etage, das zur Gilgenbaus am Kapellplatz,
das Klausersche Haus am Metzgerrainle,
das Pfyffer- jetzt Balthasarsche Haus am
Reusssteg u. a. m. Eine Gartenkapelle be-
sass das Stadtschreiber Cysatsche Haus am
Mariahilfgässli, d. h. an der alten Zufahrtsstrasse
der Stadt. Die Kapellen der erstgenannten
Häuser sind, mit einer Ausnahme,
dem ersten Stockwerke angegliedert. Sinngemässer
Farben- und Darstellungsschmuck
ist auch diesen Räumen eigen.
Da wir gerade bei der Malerei uns aufhalten
, wollen wir jener weltbekannten
Tafelwerke nicht vergessen, die im gleichen
Jahrhundert unter staatlicher Mithilfe und
einer Art privater Subvention entstanden
sind und die zwei ersten gedeckten, hölzernen
Brücken der Stadt zieren.
Die Hofbrücke erhielt ihren Schmuck
anno 1572 in 238, dem Dachgiebel ange-
passten, dreieckigen Holztafeln mit Darstellungen
aus dem alten und neuen Testamente
. Die Qualität der nun von der Stadt
magazinierten Bilder zwingt sie verschiedenen
Händen zuzuschreiben. Die Bilder
sind auf der schwarzen Umrahmung mit
der Verskunst damaliger Auffassung begleitet.
Die Unterecken rechts und links weisen die
Wappen der Donatoren und ihrer Frauen.
Ein Schriftband nennt den Namen des jeweiligen
Stifters.
Anno 1599 übernahm Hans Heinrich
Wegmann die Bemalung der 158 Tafeln der
Kapellbrücke. Den Vorwurf zu seinen Bildern
entnahm man aus dem Leben des hl. Leo-
degar und Maurizius, den beiden Stadtpatronen
, sowie aus der lokalen und Schweizergeschichte
.
Die trotz Bedachungsschutz den Witterungseinflüssen
stark ausgesetzten Gemälde
bedurften periodischer Reparaturen, die, von
jeweils zeitgemässen, handwerklichen Kunstanschauungen
beeinflusst, manchmal mit unzulänglichen
Mitteln vorgenommen wurden.
Eine in jüngster Zeit durch Kunstmaler
J. Danner stattgehabte Generalrestauration
ist sehr glücklich ausgefallen.
Die früheren Renovationen der Tafeln
fussten „in pekuniam" stets auf Subskription,
mit der Freiheit persönlichen Wappenschmuckes
des Unterstützers, so dass die
Renovationsperioden an Hand der über- oder
nebeneinandergestellten, heraldischen Aufmalungen
noch konstatiert werden können.
Wie der einzelne Bürger, so war auch
die hohe Obrigkeit bestrebt, den öffentlichen
Bauten charaktergemässen Schmuck zu verleihen
. So zeigt zur Zeit Diebold Schillings
die Westseite des gotischen Rathausturmes
figurale Freskomalerei. Oben um das Zifferblatt
Tag und Nacht, symbolisiert durch zwei
Engel, unten die Standeswappen Luzern und
Chronos. Zuunterst der liegende wilde Mann.
An Türmen und über Stadtporten sind die
polychromierten, heraldischen Skulpturen
der Standeszugehörigkeit angebracht, die
Stadtwappen, überhöht durch den Reichsschild
, gehalten durch die beiden Löwen
oder die wilden Mannen. Einzig das Burgertor
zeigt als Schildhalter eine Bürgerin (jetzt
eingelassen an der Fassade des Klos- von
Wyl resp. Suidterschen Hauses, Bahnhofstrasse
21).
Uber die Lebensweise des 16. Jahrhunderts
geben uns folgende Material- und
Viktualienpreise etwelchen Aufschluss:
Um 1500 gibt ein Haus am Graben 3% Gulden
Hauszins.
1 Ztr. Kupfer kostet 6, 1 Ztr. Eisen 2 gute
Gulden. 1 Ztr. Blei 28 Batzen.
1501 gilt ein Pfund Fleisch 9 Heller; 1 Pfimd
Schweinefleisch samt Speck 2 Schilling.
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