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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_03/0018
zwungen, in Valenciennes und dann später, als er
den Wanderstab ergriffen hatte und (1702) nach
Paris gegangen war, die Malerei als ein Handwerk
etwas besserer Qualität zu betreiben.

Watteau sieht im Kampf um die Existenz sich
überall den Weg verbaut. Missmutig kehrt er in
die Heimat zurück; während dieses Aufenthaltes in
Valenciennes, der um 1709 anzusetzen ist, kann er,
vor der äussersten Not wohl im Vaterhause geschützt,
zum erstenmale frei seiner Neigung nachgehen. Mit
Feuereifer macht er sich an die Arbeit und innerhalb
eines verhältnismässig kurzen Zeitraumes muss eine
grössere Menge von Kompositionen entstanden sein,
Bilder aus dem Soldatenleben und Bauernszenen.

Und von nun an können wir den Künstler
Schritt für Schritt in seiner Entwicklung beobachten,
auf jenem Wege, der schnell hinaufführt zu der
„Einschiffung nach der Insel von Cythere" (Tf. n. 12),
mit der er 1717 in die Akademie aufgenommen
wurde, und zu dem „Firmenschild des Gersaint"
(Bd. II Tf. 20), dem letzten grösseren Werk, das
1721, ein halbes Jahr vor des Meisters Tod entstand.

In jener ersten Gruppe von Bildern hat man
vor allem den Einfluss des Teniers sehen wollen,
sicher nicht mit Unrecht. „Peintre flamand" wird
Watteau von seinem Freunde Julienne auf dem
Titelblatt eines ihm gewidmeten Werkes genannt,
vlämisches Blut rollte in seinen Adern, gehörte doch
Valenciennes, die Hauptstadt des Hennegaus, im Jahre
von Watteaus Geburt erst seit kurzem zu Frankreich.

Jene ersten Tafelgemälde des Künstlers tragen
überhaupt einen wenig selbständigen Kunstcharakter.
Wir glauben bald etwas von Callot oder von den
Lenains, bald etwas von den Schlachtenmalern, dann
wieder nicht wenig von des Künstlers erstem wirklichen
Lehrer, dem Claude Gillot entdecken zu
können. Am wenigsten vielleicht noch ist in ihnen
zu beobachten der Einfluss jenes grossen vlämischen
Malers, der alles andere zurücktreten lässt, wenn
wir die reife Kunst Watteaus auf die Quellen hin
untersuchen: Peter Paul Rubens.

Der Platz Watteaus in der Kunstgeschichte
Frankreichs ist der eines Neuerers gegenüber der
Steifheit der ceremoniellen Malerei, der Hofkunst
Ludwig XIV. Er war der Maler der „sujets modernes",
der „fetes galantes". Es ist bequem, ihn hier als
künstlerische Erscheinung in Parallele zu setzen
mit der Ablösung des äusserlich fast puritanischen,
bigotten Hoflebens der letzten Zeit der Regierung
des Sonnenkönigs durch die offene Frivolität der
Regence im Sittenleben jener Zeit. Nur in negativer
Beziehung ist dieser Vergleich berechtigt, insofern
als Watteau allerdings befreit erscheint von der
frostigen Pomphaftigkeit der Kunst in der unmittelbar
vorhergehenden Zeit. Gegenüber dem Vorwurf

der Frivolität ist es aber bezeichnend genug, dass
Watteau in jenen Werken, die vor allem seinen
Ruf ausmachen, anknüpft an den Meister, der
menschlicher und gesünder ist als kaum ein anderer,
eben an Rubens.

Es ist ein Thema, das dieser lebens- und liebesfrohe
Vlame des öfteren variiert hat — nicht nur ein
zufälliger Einfall, sondern gleichsam eines der natürlichsten
Elemente seines Gefühlslebens, es sind die
Liebesgärten und Liebesfeste, an die unmittelbar
Watteau mit seinen „fetes galantes" anknüpft.

Nichts ist mehr geeignet, uns des Künstlers Eigenart
klarzumachen, als ein Vergleich seiner Gemälde mit
jenen Werken des Rubens. Klar und deutlich, derb
und urwüchsig ist hier gesagt, was uns dort von
Poesie verklärt erscheint. Mit der liebenswürdigen
Grazie französischen Geistes ist die natürliche Lebenslust
des vlämischen Blutes in Watteau auf das engste
vereinigt. Selten nur begegnen wir Derbem, selten
übrigens auch Frivolem in Watteaus Bildern. Erst
die äusserlichen Nachahmer seiner Art in Frankreich
und Deutschland, auf die wenig von seiner Poesie
übergegangen ist, haben diese Note in das Genre
hineingebracht und es damit diskreditiert. Jene Gemälde
von Rubens sind auch reicher an Handlung
als Watteaus „fetes galantes". Bei diesem ist es
einer der wichtigsten Punkte der Entwicklung, dass
jede stärkere, äussere Bewegung immer mehr in
den Hintergrund tritt. Anfänglich ist es in der Regel
noch ein Tanz oder irgend ein Vorgang mehr äusser-
licher Natur, der den Mittelpunkt der Komposition
bildet, um den dann die einzelnen Figuren als mehr
oder weniger mit sich selbst beschäftigte Zuschauer
gruppiert sind. Watteaus Nachahmer sind fast nie
über das äusserliche Motiv hinausgekommen, während
der Künstler selbst, der in der geistigen Wechselbeziehung
reizvoller Konversation oder in noch
höherem Grade in der durch die Musik hervorgerufenen
seelischen Steigerung ein hinreichendes
Thema, das jeder äusserlichen Zuthat wohl ent-
raten konnte, erblickte; ja das ist eben das Geheimnis
Watteauscher Kunst, das ist eben die unendliche
Poesie seiner Werke, wie er diese durch eine
liebreizende Natur, durch harmonische Wechselbeziehung
der beiden Geschlechter, durch die Musik
vor allem hervorgerufene Erhebung der Seele über
das Gewöhnliche und Gemeine wiederzugeben vermochte
.

Die Schnelligkeit, mit der sich der echte und
eigentliche Watteau aus jenen frühen Bildern, die
wir oben erwähnten, entwickelte, alle fremden Einflüsse
in den Hintergrund drängend oder sie vielmehr
aufs innigste mit seinem wirklichen Wesen
verschmelzend — es erklärt sich das zu einem Teil
aus dem nicht mehr ganz jugendlichen Alter, in dem


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