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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/das_museum_07/0096
Bildchens schwankt mit der über die übrigen frühen Werke
Raffaels. Es wird am ehesten gegen Ende seines Aufenthaltes
in Perugia, das er um 1504 mit Florenz vertauschte, entstanden
sein, vielleicht bei einem Besuch des Künstlers in seiner Heimat
Urbino. Eür den Gönner seiner Familie, Herzog Guidobaldo
von Montefeltro, hat Raffael denselben Gegenstand noch einmal
gemalt. Es ist der „St. Georg" in Petersburg, zum Unterschied
von diesem „St. Georg mit der Lanze" genannt. Mit
ihm dankte der Herzog im Jahre 1506 dem englischen König
für die Uebersendung des Hosenbandordens. Zu beiden Bildern
der Heiligen finden sich die Zeichnungen in der Sammlung der
Uffizien. Unser Blatt erhebt sich in manchem lebendigen Zug
über die Ausführung: der Hieb ist durch die zeichnerisch
spielend gelöste Verkürzung des Unterarms weit kräftiger gegeben
; das Pferd ersetzt durch fast anatomische Modellierung
im einzelnen manche Schwäche im ganzen; auch der Sprung
des Drachens ist stürmischer, seine Tatzen drohender als im
Bild. Dafür fehlt naturgemäss der Zeichnung der malerische
Beiz der hübschen blinkenden Silhouette vor der helleren Luft
und der landschaftlichen Ferne, auch die dramatische Gestalt
der fliehenden Königstochter, deren Flucht, offenbar nach dem
Splittern der Lanze, den Kampf nur noch gefährlicher erscheinen
lässt. Das Pferd ist ohne die antiken Rosse vom
Monte Cavallo kaum möglich; aber man darf nicht daraus
schliessen, dass Raffael sie schon damals gesehen habe oder dass
dies Bild erst in seine römische Zeit zu setzen wäre. Die
Rossebändiger gehörten, wie der Dornauszieher und die Drei
Grazien, zu den niemals in Vergessenheit geratenen antiken
Motiven. Sie wurden in unzähligen Wiederholungen verbreitet
fortwährend von den Künstlern benutzt.

100.101. Raffael: Die hl. Catharina, Gemälde und Karton.
Um die Zeit seines Ueberganges von Florenz nach Rom, etwa
1507 oder 1508, muss Raffael die Heilige gemalt haben. Sie
steht der „Belle Jardiniere" und den Frauen der „Grablegung"
etwa ebenso nahe wie den Musen im Parnass und der „Poesie"
an der Decke der Stanza della Segnatura. Mit Sorgfalt wurde
das Werk vorbereitet. Ein Blatt in Oxford zeigt den zurückgeworfenen
Kopf der Heiligen und den Entwurf für ihre Haltung
neben dem Rade; sorgfältig bis in jede Schattenlage durchgeführt
und doch wie eine Inspiration wirkt der Karton im
Louvre. Nirgends lässt sich besser erkennen, als hier, wie
Raffaels Gestaltungskraft bis zum letzten Augenblick rege bleibt
und selbst bei der abgeschlossenen Fassung des Kartons noch
nicht resigniert. Im ausgeführten Bild ist etwas ganz anderes
aus der Gestalt des Kartons geworden. Sie ist hier mit einem
landschaftlichen Bild nicht bloss, sondern mit Luft und Raum
als ein Ganzes gedacht. Das kleine Stück, um das der Künstler
die Figur nach unten verlängert, ist von ausschlaggebender
Bedeutung für ihre gesamte Haltung. Hier beginnen die Gegensätze
in der Gestalt, die ihr in jenem Teil und im Ganzen —
nicht bloss in der Schönheit von Kopf und Händen — ein
stärkeres Leben geben. Ein Zug aufwärts, von dem vorgesetzten
Bein nach der rückwärts liegenden Schulter, bis in den emporgeworfenen
Kopf hinein, drückt, einem sanften Wirbel nicht
unähnlich, die Erregung der Gestalt aus. Im einfachen Kontur
vor der Luft, könnte man sie sich in ganzer Figur ergänzt in
der Stellung etwa einer antiken Muse denken. Sie hat das
Statuarische vieler Gestalten und Gruppen, die damals in Florenz
gemalt sind. Auf dem Wege zu neuen grösseren Formen und
zu dem stärkeren Leben, das ihre Grösse verlangt, versucht
sich Raffael damals in den stark dissonierenden Farben der
Florentiner, indem er, der umbrische Kolorist, die Gegensätze,
nicht gerade glücklich, durch changierende Töne auszugleichen
sucht. So wirkt das Bild in neuen Ausdrucksmitteln, die sich
seiner Absicht noch nicht völlig fügen, weniger erfreulich als
der bis in den leisesten Strich empfindungsreiche Karton. Kein
Zweifel, dass dieser einen ungetrübteren Genuss gibt, aber
ebenso gewiss kündigt sich in dem Gemälde künftiges Grosses
bedeutungsvoll an.

102. Raffael: Madonnenentwürfe. Den Entwurf zu dem Rundbild
und ebenso die Modellstudie auf der Rückseite desselben
Blattes (abgeb. Bd. I, Seite 1) zeichnete Raffael in Rötel, die
kleinen Madonnenskizzen oben und das Kind unten in Feder,
sodass die Wirkung des Blattes für das Auge schon durch die
leuchtend roten und tief braunschwarzen Striche auf dem hellen
Papiergrund einen mehr als gewöhnlichen Reiz hat. Dazu
kommt die freie Grazie der Bewegungen, der die Leichtigkeit
der Zeichnung entspricht: Das Schwellen der Formen mit den
scharfen Umrissen allein gegeben, der Ausdruck der Köpfe
schon durch ihre kaum angedeutete Haltung kenntlich, strahlend
bei dem Christkind, hingebend teilnehmend bei der Madonna
, oben in den kleinen Kompositionen noch fast flüchtiger.

Das Blatt lehrt, dass der Gedanke zur Madonna Alba und
zur Madonna della Sedia gleichzeitig in Raffael aufstieg; noch
hat das schöne Bild im Palazzo Pitti seine Rundform nicht
angenommen, aber das Hauptmotiv: die Madonna mit angezogenem
Knie, das Kind darauf, die Köpfe aneinandergeschmiegt,
ist schon da. In der viereckig abgegrenzten Komposition oben
hielt die Madonna ursprünglich das Kind um die Mitte unter

den Armen gefasst, dann streckte sich der Arm, um des Kindes
Füsschen zu stützen, der Kopf des Johannesknaben taucht
hinten auf, ein Vorhang scheint angedeutet, wie in der Weiterbildung
der Madonna della Sedia, der sogenannten „Madonna
della Tenda" (d. i. „mit dem Zelt", von einem Schüler, in
München). In diesem Blatt drängen sich die Einfälle, sie
stossen und verdrängen einander. Im Rundbild brachte der
kleine Johannes zuerst ein Lamm, dessen Kopf das Christkind
streichelte; Maria scheint ein Andachtsbuch währenddessen
halb aufgeschlagen in der Luft gehalten zu haben, das man
flüchtig verkürzt unter den Bäumen auf dem Hügel links sieht.
Dann erhob Christus die Hand in derselben Stellung, wie er
sie im Bild an das Stabkreuz legt. Das Schwanken des Künstlers
verrät sich in einer gewissen Unklarheit des Motivs, die auch
im ausgeführten Bild der Mitte eigen geblieben ist. Uebrigens
ist das Petersburger Bild kaum von Raffael selbst gemalt. Für
ihn mochte sich das Interesse in der Komposition erschöpft
haben. Sie ist das letzte Glied in der Kette der „Madonnen
im Grünen". Die Mutter im Freien, ohne die künstliche Zuhilfenahme
einer natürlichen Bank am Boden sitzend, musste
mit den Kindern gruppiert zu kühner Bewegung, einem Spiel
elastischer Linien vollkommen Anlass geben. Zum erstenmal
macht sich hier der grosse Zug, den alles in Rom annimmt,
fast möchte man sagen, die Römerin als solche geltend. Ganz
zur gleichen Zeit muss das Fresko mit den drei Tugenden in
der Stanza della Segnatura entstanden sein (abgeb. Bd. III,
S. 69); die Mässigung mit dem Zaum in Händen hat fast die
gleiche Stellung; nur im Gegensinn wie die Madonna und merkwürdig
genug tritt diese Verwandtschaft mehr bei der Liller
Skizze als bei dem Petersburger Bilde hervor. Auch in den
kletternden, ausweichenden, aufwärtsweisenden Kindern der
Zeichnung erkennt man unschwer das Geschlecht der wunderbaren
kleinen Füllwesen wieder, durch die jene Lunette mit
dem rhythmischen Fluss kühner Bewegung zu den vollkommensten
Werken Raffaels gehört.

103. Raffael: Apollo, Studie zum „Parnass". Nächst den Bildern
an der Decke der Stanza della Segnatura ist wohl der
Parnass das früheste Fresko, das Raffael von den grossen vatikanischen
Arbeiten in Angriff nahm. So erklärt sich auch am
besten die Sorgfalt, mit der er das ungewohnt grosse Werk
vorbereitete. Ein Dutzend Studien, zu einzelnen Figuren, Körper,
Draperien, Köpfe, Hände, Füsse sind uns noch erhalten, alle
in der Präzision und im engsten Anschluss an das Modell gezeichnet
wie der Apollo. Auf der Rückseite dieses Blattes
findet sich die ausführliche Studie für das Gewand des Homer.
Hier ist nichts von dem flüssigen Strich der umbrischen und
florentiner Zeit, sondern ein oft kompliziertes Strichnetz modelliert
die Formen anatomisch exakt; die Striche der Schattenlagen
machen förmlich die Schwellung der Muskelpolster mit.
Fern von jugendlicher Frische zeugen diese Blätter in ihrer
Herbheit von gesammelter Kraft. In ihnen beginnt ein neues
malerisches Prinzip sich zu regen: ein feines Helldunkel erfüllt
die Schatten, gleitende Lichter — das alles besonders an
dem zurückgestellten Bein des Apollo — eine Freude an den
Halbtönen künden koloristische Prinzipien an, die sich in den
wenigen eigenhändigen Fresken Raffaels aussprechen sollten. —
Sieht man, wie die Technik des Freskos Raffael damals noch
Mühe macht — er kommt ohne Retouchen („al secco") in den
ersten Wandbildern nicht aus —, so gewinnen diese Studien
an Wert. Es ist die letzte Stufe vor der freien Meisterschaft,
die Blätter wie der Apollo bezeichnen.

104. Raffael: Kampfszene. Als Relief in einer jener flachen,
viereckigen Füllungen, die zu den knappen und herben Schmuckstücken
von Bramantes und nach seinem Vorgang auch Raffaels
Architektur gehören, findet sich auf der „Schule von Athen"
unsere Darstellung. So fremdartig es berührt, dass dieses
stolze Blatt einem so kleinen Zweck dienen musste, was wäre
zu gross gewesen, wenn es galt, diese Architektur zu schmücken,
die erste Offenbarung von Bramantes Peterskirche. Der schlanke
Apoll von der Parnasstudie scheint hier aufgestanden und als
Sieger einherzuschreiten. Man sagt nichts, wenn man vor
diesem Blatt die Namen Michelangelo und Leonardo nennt.
Gewaltiger, kühner haben sich nie Figuren bewegt, leidenschaftlich
erregter und graziöser zugleich ist der Schritt nie dargestellt
. Mit heller Freude sind sie gezeichnet, nun schon frei,
nicht mehr wie die zum Parnass nach dem Modell, sondern in
voller Beherrschung des Körpers, in der Wonne des Nach-
schöpfens aus dem Gedächtnis. Das Blatt ist das männliche
Gegenstück zu jener Madonna Alba. Wo das meiste Leben
ist die denkbare Einfachheit der Mittel; welch feines Gefühl
für die Formen spricht sich aus in diesen markigen Konturen,
wie leicht sind am Oberkörper des Schlagenden, bei dem Unterliegenden
die schwierigen Verkürzungen gegeben.

105. Ribera: Maria Magdalena. Die Heilige soll die Züge der
schönen Tochter des Malers, Maria Rosa, tragen. Ihre Bildung
ist in der Tat ganz individuell und von der unschuldvollen
Schönheit noch halb kindlich-unbewusster Jungfräulichkeit, die
wenig für die heilige Sünderin, wohl aber für die damals (1641)
noch im zartesten Mädchenalter stehende Tochter Riberas passt.

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