Augustinermuseum Freiburg i. Br., 1009/11
Das Museum: eine Anleitung zum Genuß der Werke bildender Kunst
Berlin, 11. Band.[1911]
Seite: 68
(PDF, 164 MB)
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dass der Francois Briot der Schüssel sich mit dieser
Kanne begnügt hätte. Uebrigens giebt es Varianten
mit andern Bildern, von denen aber keine den Weg
der Schüssel betritt.

Und wie steht es nun mit dem Verfertiger?
Dass von den beiden Anwärtern auf die Urheberschaft
Briot der berechtigte ist, das bewies mir zunächst
ein äusserlicher Umstand. Die Unterschrift
unter der einen Figur lautet: ARITHMETI-QVA
statt CA. Diesen Fehler kann nur ein französisch
sprechender Graveur begehen. Enderlein kopiert
ohne Nachdenken diese Inschrift ebenso wie alle
Einzelheiten der Komposition, so dass die Vorstellung
hatte entstehen können, es handle sich um
einen mechanischen Nachguss. Sieht man aber genauer
zu, so gewahrt man die sehr erheblichen
Unterschiede. Bei Briot sind die Figuren schlank
und elegant, bei Enderlein trotz des direkten Vorbildes
schwer und gedrückt. In den Hintergründen
hat er freier gearbeitet. Den Zusammenhang des
Ornaments hat er nicht verstanden, die Felder vertauscht
und falsch untereinander gesetzt, er ist
lediglich Kopist von massiger künstlerischer Begabung
.

Bei der Betrachtung dieser Stücke kommt noch
vieles Interessante in Frage. Sowohl Briot als
Enderlein sind weniger Zinngiesser als Formenstecher
gewesen, die ihre Stempel gegen Entgelt
an Zinngiesser abgegeben haben. Von Briot wissen
wir, dass er als Medailleur für Münzen thätig gewesen
ist. Auch von Enderlein wird seine Kunst
im „Poussieren und Steinschneiden" besonders gerühmt
. Enderlein hat dieses augenscheinlich sehr
beliebte Modell sogar zweimal graviert, man kann
bei einiger Aufmerksamkeit die Typen unterscheiden,
ich habe a. a. O. die Merkmale verzeichnet. Ausser

Porträtstempel von
Francois Briot.

der Temperantiaschüs'sel mit Kanne existieren nun
aber noch drei bis vier andere Schüsseln und
Kannen mit Figuren und Ornamentwerk, die annähernd
auf derselben künstlerischen Höhe stehen,
zum Teil sogar noch freier komponiert sind, und
für deren Vaterschaft man denselben Francois Briot
heranziehen möchte, ohne aber feste Beläge zu haben.
Einige Humpen und Teller mit sehr edlem Ornament
schliessen sich dieser Gruppe künstlerischer
Zinnarbeiten an. Für das gesamte Material dürfen
wir binnen kurzem eine erschöpfende Arbeit von
Dr. Demiani in Leipzig erwarten.

Was uns bei den Varianten der Temperantia-
schüssel am meisten interessiert, ist die von Enderlein
vorgenommene Umwandlung des Modells in
ein Taufgerät. Was war dafür nötig? Alle nackten
Götter der zwölf Felder mit Minerva, Merkur etc.
blieben unbeanstandet, lediglich als Mittelbild wurde
statt der Temperantia eine Maria als Himmelskönigin
eingefügt. In dieser Form steht die Taufschüssel
noch seit Enderleins Zeiten in der Lorenzkirche zu
Nürnberg und an manchen andern Stellen.

Dass man auch in unseren Tagen moderne
Kopien zu diesem Zwecke benutzt, ist wunderlich
genug.

Dieses Werk atmet den Geist der Renaissance,
der weltlichen Kunst, welche die freien Wissenschaften
als humaniora den geistlichen Lehren
gegenüberstellte. Mit seinen zwölf Bildern giebt es
gleichsam ein Kompendium dessen, was man in
jener Zeit für geistig verehrungswürdig hielt, und
das alles ist so anmutig und frei vorgetragen, so
edel in der Form, so einfach bei allem Reichtum,
dass wir selbst unter den Werken in Edelmetall
schwerlich eines finden, das wir als Gesamtwerk
dieser Zinnschüssel an die Seite stellen können.

Julius Lessing.

Porträtstempel von
Caspar Enderlein.

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