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Flandrischer Wandteppich um i5io. Symbolische Darstellung des Abendmahlweines.
seltene Gewohnheit spielender Zuthaten, zu welcher
die Technik verleitet, ist hier völlig unterdrückt,
selbst die Gewänder sind bis auf wenige Säume
ungemustert und wallen in klaren Falten. Trotzdem
die Figuren den Rahmen fast ganz füllen, ist
nichts gedrängt, sondern alles klar und übersichtlich.
Allerdings lösen sich die Figuren Gott Vaters und
des Sohnes nicht völlig von den Engelscharen, wenn
sie gleich auf dem Teppich selbst durch die weissen
Gewänder stärker herausgehoben sind, als die Photographie
es erkennen lässt; die Hauptfigur von siegreicher
Schönheit ist auch in dem gesteigerten Massstabe
des Vordergrundes die Maria. Auffallend sind
die Kissen unter ihrem Haupte; sie erinnern daran,
dass sie als Entschlafene von den Engeln emporgetragen
ist. Mit der jetzigen Haltung der auf
der Mondsichel stehenden Figur sind sie nicht völlig
vereinbar. Dem Teppich fehlt die Borte, wir werden
sie uns ganz verwandt derjenigen denken müssen,
welche den oben abgebildeten Teppich umschliesst.
Wen haben wir als Meister dieses Bildes, soweit
es eine malerische Schöpfung ist, anzusehen? Doch
wohl einen Meister der niederländischen Schule, der
bereits von dem Geiste der italienischen Kunst leicht
angeweht ist, ohne ihr aber seine nationale Eigenart
zu opfern. Dr. Max J. Friedländer, den ich um
sein Urteil bat, findet in der Zeichnung die Art der
Antwerpener Schule des Quentin Massys, eine Art,
die vom Meister vom Tode Mariä, B. Bruyn u. a.
nach Südflandern gebracht wird. Als Entstehungszeit
dürfen wir 1510—1520 ansetzen. Nachher tritt bereits
die von Italien direkt beeinflusste Art des Bernard
van Orley in ganz charakteristischer Weise ein.
Sehr nahe steht unserem Teppiche eine Anbetung
in der ehemaligen Sammlung Donato und
der hier abgebildete Teppich, den ich 1870 im
Quirinal sah. Die Beischriften weisen auf die Bedeutung
des Abendmahlweines als Blut Christi hin.
Die knieende Frau ist als die Bestellerin anzusehen.
Dass die Arbeit flandrisch ist, bedarf keiner Erörterung
. — Die Borten, welche diesem Aufsatze als
Einfassung beigegeben sind, gehören zu einem
Teppiche einer etwas jüngeren Zeit, und sind im Besitze
des Kunstgewerbe-Museums. Die Arbeit scheint
auch flandrisch zu sein, doch wäre florentinische
Herkunft nicht ganz ausgeschlossen.
Julius Lessing.
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