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nicht bloß für das Rückwärtige, nein, bequem auch
für das Auge, denn das höhere Zweckgefühl sitzt da
oben und nicht da unten, - - ich brauche einen Spucknapf
, — doch nein, ich brauche keinen, ohne übrigens
Italiener zu sein. Dank den Künstlern, die den
scharfen Blick haben für das, was not tut, die so
feinfühlig die Seele der Zeit verstehen. Nur durch
Ueberwindung des Individuell
- Willkürlichen
können wir zum Stil gelangen
. Es sind bis jetzt
nicht gar so viele, die
sich zu diesem Satze bekennen
.
Solch ein Künstler
wird mit Glück auch an
Aufgaben herantreten,
die vom Massenempfinden
gestellt werden. Da
istz. B. das heikle Thema:
Kirchenbau. Freilich, in
den großen Städten wird
man so lange romanische
und gotische Reißbrettkirchen
errichten, errichten
müssen, solange
"DIE STUND INT11LT
ALBIN MÜLLER
KUNSTVERGLASUNG
sich die Kirche selber als Anachronismus gibt, solange man sie
als Anachronismus empfindet. Auf dem Lande aber ist es
anders, hier besteht noch im wesentlichen der alte Gedanke;
ihm die Form zu finden ist ungleich leichter, leicht aber darum
noch lange nicht. Denn es gilt, Bauten zu schaffen, die dem
Bauer, dem Dörfler das sind, was er sich von Kind auf unter
einer „Kirche" vorstellt — und der Bauer ist konservativ —
und doch etwas von den neuen Formen anklingen zu lassen,
die die Signatur unserer Zeit sind. Denn seit es Städte gibt,
ist das Land in der Form stets von ihnen abhängig gewesen.
In dieser kleinen Kirche Müllers ist Altes und Neues schön
miteinander verbunden.
Wie sich ein derartiges Können im einzelnen beweist, das
mag ein Blick auf die Gußeisenarbeiten zeigen. Alles wieder
von einer solchen Selbstverständlichkeit der Wirkung, daß man
es kaum glauben möchte, es sei jemals anders gewesen. Und
es ist anders gewesen.
Es hat bis jetzt überhaupt
noch kein Guß-
ALBIN MÜLLER « STANDUHR
AUSGEFÜHRT VON TH. ENCKE,
MAGDEBURG
eisen, künstlerich bezwungenes
Gußeisen gegeben
, wohlgemerkt:
künstlerisch bezwungenes
; denn von sog. „Kunst" ist auch der Eisenguß
nicht verschont geblieben. Man kennt aus unseren
Museen - - was gäbe es in unseren Museen nicht -
diese langweiligen, biblische Geschichten erzählenden
, schwarzen schmutzigen Platten, die einst für
Oefen bestimmt waren; man kennt diese Filigranarbeiten
(!) in Gußeisen, die zu Anfang des
19. Jahrhunderts von der kgl. Eisengießerei in Berlin
hergestellt wurden; man kennt vor allem diese
ALBIN MÜLLER
ZINNBOWLE
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