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RICHARD RIEMERSCHMID HERRENZIMMER AUS GRAUSCHWARZ GEBEIZTEM KIEFERNHOLZ
AUSGEFÜHRT VON DEN „DRESDENER WERKSTÄTTEN FÜR HANDWERKSKUNST", DRESDEN
stil; und das Brandmal „billig und schlecht"
blieb ihren Arbeiten unverwischbar aufgeprägt.
Jetzt steht das Problem so: Das Handwerk
ist nicht imstande, die Stellung zu erringen,
die es in früheren Jahrhunderten einnahm.
Ruskins und Morris' Ideal, die Emanzipation
von der Maschine, ist durch die Wirklichkeit
ad absurdum geführt worden. Der Sozialismus
ihrer Gedanken blieb ihren handwerklichen
Erzeugnissen fern; was sie schufen,
war schön und brauchbar, aber es war Kunst
für den Liebhaber, für den reichen Mann.
Für die Gegenwart gilt es nicht, die Maschine
zu bekämpfen, sondern auf dem ihr eigentümlichen
, ihr unentreißbaren Gebiet ihre
Kräfte so zu gebrauchen, daß die Resultate
den Forderungen der Echtheit, Natürlichkeit
und Gesundheit entsprechen. Es wäre Torheit
, sie in einen Wettbewerb mit Handarbeit
zu ziehen. Gemütswerte — und sie soll ein
gutes Stück individueller Handwerkskunst
bergen — sind ihren Erzeugnissen fremd.
Deshalb muß sie auch heute noch auf Zierformen
verzichten, zum mindesten auf solche,
die nicht im Material und in der Konstruktion
selbst ihren Ursprung haben. Ihre Technik
aber muß die letzten Traditionen, die sie aus
der handwerklichen Arbeit herübergenommen,
abschütteln, und in Aufbau, Fügungen,
Verbindungen unabhängig, organisch, ihren
eigenen Mitteln gemäß erfinden und gestalten.
Leicht genug sprechen sich diese Forderungen
aus. Aber die Wenigsten wohl wissen
die Schwierigkeiten in allen ihren Details
ganz zu beurteilen, die auf dem Wege der
praktischen Ausführung solcher Gedanken
liegen. Zweifellos waren die „Dresdener
Werkstätten für Handwerkskunst" für
diese Aufgabe besser vorbereitet als die
meisten anderen Betriebe, die heute künstlerischen
Hausrat verfertigen. In Richard
Riemerschmid besitzen sie eine Kraft, deren
schönste Gaben die Fähigkeiten sind, den
Geist der Zeit aus seiner Tiefe heraus zu begreifen
und bei aller Weitsichtigkeit im Schaffen
selbst doch stets naiv und lebendig zu bleiben.
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