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-^^> LANDHAUS UND GARTEN <^=^
Wenn das Haus mit dem Garten eine Einheit
bilden soll, so kann dies nur bei einem
regelmäßigen Garten der Fall sein. Der Palast
auf der Graswiese ist keine künstlerische Einheit
. Ist das Haus Architektur, so muß auch
der Garten Architektur sein. Und nimmt man
das Wort „Architektur" in seiner allgemeinsten
Allgemeinheit, so daß es das menschliche
Bilden und Gestalten in allen seinen Formen
umfaßt, so muß auch die Gartengestaltung
notwendigerweise zur Architektur gehören.
Das, was dem menschlichen Gestalten in jeder
Form eigen ist, ist das Rhythmische, Gesetzmäßige
. Der Rhythmus und die Gesetzmäßigkeit
finden sich im primitivsten Ornament der
Wilden wie in der Kunst der vorgeschrittenen
Kultur, der Musik, der Tanzkunst, der Baukunst
, ja selbst in den Erzeugnissen des Handwerks
. Unser ganzes Leben ist rhythmisch,
unsere Sprache, unsere Umgangsformen, unser
schriftlicher Ausdruck verrät selbst dann noch
einen Anflug von Rhythmik und architektonischem
Gefüge, wenn wir in alltägliche Trivialität
verfallen. Wieviel mehr ist also Rhythmik
und Gesetzmäßigkeit im Garten angebracht
, der, wie das Haus, eine bewußte Betätigung
menschlich-künstlerischen Gestaltungstriebes
ist. Dieselben Grundsätze, die
im Hause vorliegen, dieselbe organische Beziehung
der Einzelteile zueinander, dasselbe
Zusammenfassen des einzelnen zu einem harmonischen
Ganzen, dieselbe Aneinandergliede-
rung der Einzelteile und dieselbe Ausgestaltung
jedes Einzelteiles als ein Ganzes an sich,
sie muß auch für den Garten maßgebend sein.
Und in der Tat ist der Garten zu allen
Zeiten ein geordnetes, regelmäßiges Gebilde
gewesen. Schon die ersten Furchen, die der
ackerbautreibende Urbewohner zieht, sind regelmäßig
. Der antike Garten, der Garten des
Mittelalters war regelmäßig. Der regelmäßige
Garten erreichte seine Glanzperiode zur Zeit
der aristokratischen Kultur im 17. und 18.Jahrhundert
. Und wenn man auch zugestehen
muß, daß die große Geisteswelle, die im
18. Jahrhundert von England in Form des
landschaftsgärtnerischen Gedankens über den
europäischen Kulturkreis ging, ihre Berechtigung
als Reaktion gegen gewisse Uebertrei-
bungen in der architektonischen Gartengestaltung
hatte, so kann doch das gänzliche Ueber-
handnehmen des landschaftsgärtnerischen Gedankens
bis in den kleinen Hausgarten hinein
keineswegs als eine berechtigte Richtung angesehen
werden. Eben in der Uebertragung auf
den Hausgarten liegt das Falsche im landschafts-
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