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-sr4^> NEUE KUNSTLITERATUR
PERSONAL-NACHRICHTEN <^=^~
eine eingehende Analyse wie auch Studienabbildungen
des großen Werkes, das Homer, seine Dichtungen
vortragend, Aphrodite dem Meer entsteigend,
Flato und Aristoteles mit ihren Schülern behandelt.
CTUTTGART. Otto Reiniger f. Ein schwerer
^ Schlag wahrlich nicht nur für die schwäbische
Kunst, denn Otto Reiniger war der Berufensten
einer in unserer deutschen Landschaftsmalerei,
einer von dem man das Größte erwarten konnte.
Zu diesen Erwartungen berechtigte schon sein
erstes Auftreten in der Oeffentlichkeit, seine >Vor-
frühlingsstimmungt in der ersten Münchener Jahresausstellung
1889; jener müde Märztag mit bleiern
grauem Himmel, im Vordergrund ein Weib mit
Rechen, hinten der Mann; gegen die Luft heben sich
die wundervoll gezeichneten Stämme der Erlen,
die das rauschende Bächlein umgeben. So recht
ein Werk aus eigenster Empfindung geschaffen, und
nicht nur in seiner Selbständigkeit frei von aller
Schultradition und Konvention, nein, auch eine
von merkwürdig organischer Naturkraft erfüllte
Malerei, von der Art wie nur die Großen in der
Kunst sich einzuführen pflegen. Und diese starke
eigenartige Kunst ist damals auch von den feinsten
Köpfen der Münchner Künstlerschaft sofort erkannt
worden; kein Geringerer als Uhde befürwortete mit
Wärme den Ankauf des mit einer Medaille ausgezeichneten
Werkes für die Neue Pinakothek. O wäre
er doch mit seinem Wunsche durchgedrungen! Heute
ist das Bild vernichtet, gleich so vielen anderen
prächtigen Werken ein Opfer jenes verhängnisvollen
Atelierbrandes vom 28.Januar 1904. Noch ein weiteres
sehr großes Bild, den Besuchern der Internationalen
Münchner Kunstausstellung von 1890 in bester Erinnerung
, gehört zu den Opfern jener Brandnacht.
Es ist der bekannte sonnige Vorfrühlingsabend im
Feuerbachtal, ein Bild, in dem die Berufenen einen
Markstein unserer deutschen Landschaftsmalerei
sahen, denn sie verstanden gar wohl, was es heißt,
ein einfaches Motiv mit solch erstaunlich belebender
künstlerischer Kraft zu gestalten. Dabei glaube
man ja nicht, daß Reiniger wahllos irgend einen
Naturausschnitt zum Vorwurf wählte; nein, so wie
er gestaltete, war das Charakteristische einer bestimmten
Landschaft auf seinen größten und einfachsten
Ausdruck zurückgeführt und zwar dürfte
für diese lapidare Größe des Ausdrucks der >Bach
im Vorfrühling« (Stuttgarter Gemäldegalerie) ein besonders
sprechendes Beispiel sein. Das ist die Natur
selbst in ihrer organischen Kraft, in ihrem ewigen
Werden.
Als Maler des wild dahinrauschenden, quirlenden,
sich überstürzenden Wasserspiels dürfte Reiniger
kaum seinesgleichen haben in der deutschen Kunst.
Er, von dessen Formtalent und Formenstudium man
gar nicht hoch genug denken kann, sah eben in diesem
wilden Spiel der Wellen die großen, stets von
neuem wiederkehrenden Formen. Außer der Stuttgarter
Gemäldegalerie haben die Museen von München
, Dresden, Posen, Berlin sich Werke dieser
Art gesichert.
Otto Reiniger, der am 17. Februar 1863 Geborene,
hat nur ein Alter von 46 Jahren erreicht. Ueber
seinen Studiengang ist nur zu sagen, daß er im wesentlichen
, trotz kurzer Intermezzis bei Kappis-Stutt-
gart und Wenglein-München, ein Autodidakt gewesen
ist sein Leben lang. Nur die Natur war seine Lehrmeisterin
. Und so schmerzlich auch sein Tod für
seine Freunde und seine Kunst sein mag, für ihn
bedeutete er, gleichwie bei seinem nordischen, ihm
im Tode vorausgegangenen Kollegen Leistikow, die
Erlösung von jahrelangen schweren Leiden, h. Tafel
Verzeichnung dessen
denken, was sich
in Wien an künstlerischen
Ereignissen
seit 1894 abgespielt
hat: der lebhafte
erste Eindruck, von
dem sich gleich verbindende
Fäden zu
verwandten Erscheinungen
spinnen,und
das vom Tag herausgeforderte
Urteil zittern
ungeschwächt
in diesen Aufsätzen.
In den Berichten
über retrospektive
Ausstellungen und
in den Nachrufen
für längst überholte
Künstlergrößen
zeigt Hevesi, daß er
die notwendigste Eigenschaft
eines Kritikers besitzt, denn er ist imstande,
sich in alles wahrhaft Geschaffene einzuleben, ein
Parteimann alles Echten. Vor Lauheit aber ist er geschützt
, da er im Federkrieg um die moderne Kunst
temperamentvoll sich an die oft gefährdeten äußersten
Vorposten der Modernen gestellt hat. Wie seinen
beschaulichen Essays die Fülle des Einzelwissens zu
gute kommt, so sind den >aktuellen< Kundgebungen
prickelnd die persönlichen Erfahrungen beigemischt.
Es ist derart ein ernsthaft oder im muntersten Plauderton
unterhaltliches Buch geworden, das, von einem
stets Wachsamen geschrieben, als Spiegel der Zeit
bleibenden Wert hat. k.
PROF. OTTO REINIGER
f 24. Juli 1909
PERSONAL-NACHRICHTEN
DERLIN. Die Kommission der Weltausstellung
in Brüssel 1910 hat Professor Hugo Vogel in
Berlin, dem Schöpfer der Wandgemälde im Hamburger
Rathaus, Auftrag gegeben, für die allgemeine
Industriehalle ein Kolossalgemälde von 90 qm, >Die
Fesselung der Naturgewalten im Dienste der Menschheit
^ zu malen. Das Bild wird in einer Art Tribuna
als Abschluß der großen Halle angebracht werden.
l^ARLSRUHE. Der 70. Geburtstag Hans Thomas
am 2. Oktober wird mit großen Ehrungen des
Meisters begangen werden. An diesem Tage soll
das Karlsruher Thoma-Museum eingeweiht werden,
das neben dem in den letzten Jahren geschaffenen
religiösen Zyklus zahlreiche andere Werke Thomas
enthält und als besonderer Anbau an die Großherzogliche
Gemäldegalerie erbaut wurde; am folgenden
Tage gelangt eine große Thomaausstellung zur
Eröffnung. Eine Huldigung künstlerischer Natur
der Karlsruher Künstler wird sich anschließen;
auch die Stadt Karlsruhe plant eine Ehrung ihres
Mitbürgers. — Auch an anderen Orten wird man
durch Ausstellungen des Meisters gedenken, so in
Frankfurt a. M., wo der Kunstverein eine ungewöhnlich
umfangreiche Thomascher Werke aus
Privatbesitz etc. vorbereitet, in Berlin (im Kunstsalon
Gurlitt), in Mannheim.
T EIPZIG. Dem Maler und Radierer Alois Kolb,
*^ Lehrer an der hiesigen Akademie, ist der Professortitel
verliehen worden.
T EIPZIG. Max Klingers Wandgemälde für die
Aula der Leipziger Universität ist jetzt vollendet
und an Ort und Stelle aufgehängt worden. In unserem
Klingeraufsatz (s. S. 297 u.ff.) brachten wir schon
Redaktionsschluß: 27. Juli 1909 Ausgabe: 12. August 1909
Herausgeber: F. Schwärtz. Für die Redaktion verantwortlich: P. Kirghgraber. — Druck und Verlag von F. Bruckmann A.-G.
Sämtlich in München
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