http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_23_1911/0084
DIE IX. INTERNATIONALE KUNSTAUSSTELLUNG DER STADT VENEDIG
trieben werden. Sie müssen lediglich der Masse
weichen, wenn Onorato Carlandi die englische
und römische „Campagna", Francesco
Sartorelli sein Venetien, Ferruccio Scat-
tola, gewiß der lebhafteste unter ihnen, Um-
brien und Toscana abschildern. Miti-Zanetti
kommt die farbige Stilisierung seiner auf Blaugrün
beschränkten Landschaften zustatten (Abb.
S. 59), Fragiacomo wirkt einheitlich durch
die beseelte Dämmerstimmung, von der seine
frühen berühmten, wie auch die neueren Lagunenbilder
(Abb. S. 49) erfüllt sind. Zu den
erfreulichsten Erscheinungen gehört Italico
Brass (Abb. S. 52), denn es gelingt ihm,
das Kleinleben des Volkes von Venedig und
john lavery in erwartung
Internationale Kunstausstellung 1910 in Venedig
seine Feste ganz in die spezifische Luft zu
hüllen, impressionistisch, gemäß der guten, im
18. Jahrhundert eines Longhi erwachsenen Tradition
. Als Führer im lombardischen Saal erscheint
Filippo Carcano (Abb. S. 70), obwohl
er gar nicht schulbildend sein will, doch schart
sich um den Altmeister, der auf keinerlei
Manier eingeschworen ist, in freiem Wetteifer
der Nachwuchs; Carozzi weiß, dank der von
ihm beweglicher gemachten Technik des Divisionismus
, auch die tiefsten Schatten zu erlösen
, Gola und Borsa, an Jüngeren Tosi
und Castagneto setzen die Reihe fort, neben
der in seiner Tiftelei Grubicy, als Figuralisten
Alciati und Piatti zu nennen sind. Den Ruf
Venedigs aufrecht zu erhalten ist Ettore Tito
heuer mit einigen kleinen Bildern (Abb. S. 52)
ebensosehr gelungen wie voriges Jahr, da er
vier große "Wände füllte. Die Künstlerfamilie
der Ciardi, der bei aller Grobschlächtigkeit
echtvolkstümlicheMiLESi,MARiusPiCTOR, unter
den Jüngeren Martina und der im Bizarren
untergegangene Sibellato, außer den früher
schon angeführten Landschaftern Trajano Chi-
tarin, der sich am wohlsten fühlt, wenn es an
den Ufern des Meschio herbstelt, sind jedenfalls
hervorzuheben. Da an der Einteilung nach
„regioni" festgehalten wurde, konnte auch der
Stadt Triest, d. h. denen, die irgendwie zu ihr
in Beziehung stehen, ein eigener Saal zugestanden
werden; sein buntscheckiger Inhalt ist
von Guido Marussig eingerahmt worden,
Pastellporträts von Rietti fesseln durch den
psychologischen Scharfblick. Rom hat angenehm
Mondänes von Noci und Innocenti,
sehr lehrreiche Pointiiiismen von Morbelli
und Lionne, endlich auch eines der in Pinselteufeleien
sprühenden Bildnisse von Mancini
geschickt. Die Piemontesen Cavalleri, der
glücklicherweise keinem experimentierenden
Kameraden erliegt, und Giani in seiner ungemein
zarten Darstellungsweise vertreten das
erzählerische Element, dem man sonst nicht
eben häufig begegnet. Dem Napoletaner Francesco
Netti hat man einen Nachruf in einem
Kabinett gewidmet, das mit Studien und Entwürfen
zu Gemälden gefüllt ist, die im Erfassen
der augenblicklichen Stimmung ihrer
Zeit, den sechziger Jahren, vorauseilen. Süditaliens
Stolz, Francesco Paolo Michetti,
führt auf 15 Temperabildern in seine heimatlichen
Abbruzzen mit leichter Hand. Hier ist
auch eine Plastik des nicht minder hoch eingeschätzten
Trentacoste (Abb. S. 60) in so förderlicher
Beleuchtung zu sehen, wie sienur wenigen
der Bildhauerarbeiten gegönnt ist. An einer
56
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_23_1911/0084