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karton zu der fassadenmalerei für
die nürnberger ausstellung 1906
CARL VON MARR
Von Georg Jacob Wolf
In Süddeutschland, wo sich jeder Lackiererund
1 Anstreicher hochtönend „Dekorationsmaler"
nennt, ist der Begriff „dekorative Kunst" lange
in Acht und Bann gewesen, und bei vielen
Kunstfreunden ist er's heute noch. Auch solche
freilich, die unter dekorativer Malerei nicht
ausschließlich scheußliche Blumen und verzeichnete
Putten an schlecht getünchten Plafonds
verstehen, denen aber
Makarts Name vorschwebt,
die an die berüchtigten „ Ma-
kartbouquets" und an dunkel
ausstaffierte Ateliers in
Pappendeckel - Renaissance
denken, an Gemälde, bei
denen das sogenannte „dekorative
" Drum und Dran:
schnäbelnde Tauben, Girlanden
, unmotivierte Stilleben
, zur Hauptsache wurde,
rümpfen die Nase, wenn man
ihnen heute die dekorative
Kunst plausibel machen will.
Und doch hat sich, still
aber sicher, in eben diesem
Süddeutschland, und besonders
in München, seither c.vonmarr®,se
eine dekorative Kunst entwickelt, die in bewußter
Verfolgung bestimmter Prinzipien, in
logischer Durchdringung gestellter Aufgaben,
wenn auch nicht ohne Zweifel im einzelnen,
seit Tiepolos Tagen nicht ihresgleichen hat.
Man nennt gerne Puvis de Chavannes, Hans
von Marees und sogar Anselm Feuerbach die
Väter dieser neuen dekorativen Kunst oder
besser: dieses neuen dekorativen
Stils in der Malerei.
Es ist richtig: Feuerbach
hat mit seinem „Titanensturz
" in der Aula der k. k.
Akademie in Wien, Marees
mit seinen Fresken in
Dohms zoologischer Station
in Neapel, Puvis mit den
Genovefa-Fresken im Pariser
Pantheon die dekorative
Malerei aus den starren
konventionellen Fesseln befreit
, in denen sie seit des
Cornelius und Kaulbach
Tagen geschmachtet. Jeder
von ihnen hat dieser notwendigen
Kunstrichtung
lbstbildnis(19oi) wieder originelle Ideen gerne
Kunst für Alle XXVI. 5. 1. Dezember 1910
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