Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 35. Band.1917
Seite: 266
(PDF, 137 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_35_1917/0304
tektonische Führung und Bevorzugung der
Linie. In anderer Weise, im Wechsel heller
und dunkler Farben, ist der architektonische
Aufbau in der „Kreuzigung" geregelt. Bekanntlich
hat dies Bild bei seiner diesjährigen
Ausstellung in der Münchner Secession das
Mißfallen eines Teiles der Presse erregt wegen
des Rückenaktes der das Kreuz umklammernden
Magdalena, die auf dem Rubensschen
Bilde der Münchner Pinakothek, den reuigen
Sündern vor Christus, einem für eine katholische
Kirche gemalten Bilde, doch ebenso
leicht bekleidet erscheint. Die „Kreuzigung"
ist aber ein mit tiefem Empfinden gemaltes
Werk, in dem namentlich die Gruppe der um
die ohnmächtig niedergebrochene Maria beschäftigten
Personen eine verinnerlichte Auffassung
zeigt. Und das jüngst wieder zitierte
Goethewort: ,,Unsern jungen Malern fehlt es
an Gemüt und Geist" paßt nicht auf den Heiland
, der in ergreifender Weise den Ausdruck
überstandenen Leidens trägt, zu dem man nur
in der nordischen Malerei des 15. Jahrhunderts
die Parallelen findet. In der Schilderung
des Vorgangs hat der Künstler eine
mittlere Linie gezogen zwischen der realhistorischen
Wiedergabe eines ,,Gedränges" und
einer idealen Abstraktion, die sich auf Maria
und Johannes beschränkt. Das Ueberirdische,
die Beziehung des Kreuzestodes zur Menschheit
, ist in der Art der Lichtführung voll zur
Geltung gebracht, das mystisch, außersinnlich
hinter dem Körper des Heilands aufflammt, um
von da mit abnehmender Helligkeit die einzelnen
Gruppen zu beleuchten, während die
ziemlich summarisch behandelte Landschaft
fast ganz im Dunkeln liegt. — Auch bei zwei
weiteren, religiöse Stoffe behandelnden Gemälden
, einer „Beweinung Christi" und einem
an den Pfahl gebundenen ,,H1. Sebastian" ist
der architektonische Aufbau der Bildganzen
mittels Linie und Farbe zu beachten, bei
ersterem auch der tiefe, seelische Gehalt in
der Wiedergabe der stillen Trauer.

Hüther hat die Prinzipien seines Stiles
auch an anderen Stoffen erprobt. Sieht man von
verschiedenen Variationen badender Frauen,
die mit der Wiedergabe des menschlichen
Körpers sich befassen, und einem Bilde
rastender Touristen ab, so ist es hauptsächlich
die Landschaft und das Porträt, das
ihn bewegt. Auch bei den Bildnissen bewirken
der kantige-eckige Linienstil und die
kühle Farbensprache eine bedeutsame Steigerung
des Ausdrucks; neben dem Formalen
ist das Geistige nicht zu kurz gekommen,
das Wesentliche, Nichtzufällige an der Persönlichkeit
ist zu starkem Ausdrucke gebracht,

alles Sachliche mit großer Wahrheit gegeben.
Auch in der Landschaft, die meist der Gegend
um Trient, dem seenreichen südtiroler Gebiet
, entnommen ist, herrscht die Klarheit
und Sachlichkeit in der Raumvorstellung vor,
gehoben durch die stark akzentuierte lineare
Sprache, die die großen Formen der Gegend,
die schon Mantegna zu seinen Schöpfungen
inspirierten, aufs glücklichste betont.

In der neuen künstlerischen Gesinnung unserer
Tage, die auf einen monumentalen, konstruktiven
Aufbau hinarbeitet, bildet die Kunst
Hüthers einen bedeutenden Faktor; denn zur
Herbheit und Straffheit der Form, die vielen
der am Werk mitarbeitenden Künstler eigen
ist, tritt eine Farbgebung, die das allzu Grelle,
Laute, Kreischende, kurz Plakatmäßige mit
Takt vermeidet und doch kräftig genug ist,
um von dem architektonischen Gerüst nicht
beiseite geschoben zu werden, vielmehr sich
diesem selbst mit feinem Verständnis anzupassen
versteht. Es ist eine Kunst, die das
ewige alte Problem jeder Malerei, das Verhältnis
zwischen Form und Farbe, in eigenartiger
und selbständiger Weise zu lösen sucht.

EIN GRABMAL VON R. ENGELMANN
UND H. SCHAEDTLER

In dem parkartigen, stimmungsvollsten Teil
des Stöckener Friedhofs in Hannover, etwas
erhöht an der Südseite des kleinen Sees gelegen
, ist ein schönes Grabdenkmal entstanden,
das Grabmal Rheinhold, welches der Bildhauer
Richard Engelmann-Weimar zusammen mit
dem hannoverschen Architekten Hermann
Schaedtler errichtet hat (Abb. S. 268/69).

Die Aufgabe der Künstler bestand nicht
allein darin, aus Architektur und Plastik ein
harmonisches einheitliches Gebilde zu schaffen,
es galt auch das ganze Werk in Einklang zu bringen
mit der gegebenen Natur. Es will im Zusammenhang
mit seiner ganzen Lage auf einem Hügel
angesichts des Sees, es will zusammen mit den
Büschen und Bäumen des Hintergrundes, die
ihm als wirksameFolie dienen, betrachtet werden.

Die Architektur des offenen Rundbaus verzichtet
auf allen von außenherangetragenen Schmuck.
Sie wirkt einzig durch ihre Proportionen und
durch die Schönheit des Materials, des Dorlaer
Muschelkalks. Nur oben an den Pfeilern belebt
ein sparsamer plastischer Dekor die schlichten
Flächen: im Relief erscheinen trauernde Gestalten
mit verhülltem Haupt; aber sie lösen
sich nur wenig von der Wand los und stören
nirgends die Einfachheit der architektonischen
Glieder, verstärken aber die Stimmung der
Trauer, die das ganze Werk durchzieht.

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