Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 36. Band.1917
Seite: 162
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_36_1917/0190
GESCHMIEDETE ALT BAYERISCHE GRABKREUZE

Münchner Kunstschlossermeister Sixtus Schmid
besitzt eine Sammlung von mehr als dreitausend
solcher Grabkreuze — welche Fülle der Einfälle
und Formen, welches Material auch für
den Kunst- und Kulturhistoriker, der hier
Neuland betritt! Zeitliche und örtliche Bestimmungen
begegnen freilich bei den Grabkreuzen
beträchtlichen Schwierigkeiten. Da
kommen nicht Erzeugnisse in Frage, die an
einem Brennpunkt künstlerischen Lebens und
schöpferischer Tätigkeit mit kunsthistorisch unschwer
kontrollierbaren stilistischen Schwankungen
in die Erscheinung traten, sondern hier
handelt es sich um Arbeiten, die ferne den Kunstzentren
in kleinen Schmiede- und Schlosserwerkstätten
auf dem flachen Land und im Gebirge
entstanden. Dort aber hält sich die lokale
Tradition länger als in der Stadt: gotische Motive
, die sich etwa an den Beschlägen der Dorfkirchentüre
finden mochten, kehren z. B. bei
Barockgrabkreuzen wieder. Andererseits hat
wohl der Schlosser oder Schmied damals, als
er als flotter Wanderbursch durchs Land zog,
bei einem Meister in Brixen ein Grabkreuz gesehen
oder selbst daran gearbeitet, das er nun,
da er sich als Meister in seiner oberbayerischen
Heimat, in Erding oder in Wasserburg, seßhaft
gemacht, nachbildet und das ob seiner zierlichen
, neuartigen und fremden Form von den
Erdingern und Wasserburgern verlangt wird
und sich einbürgert. Solchen Erscheinungen
gegenüber ist die Forschung so gut wie machtlos
, aber vielleicht ist das gar nicht besonders
zu beklagen, namentlich deswegen nicht, weil
es hier nicht so sehr darauf ankommt, wissenschaftliche
Eroberungen zu machen, als das
schöne Vorbild, das bis in die Einzelheiten
hinein tüchtig und solid ist, zu den schöpferischen
Kräften unserer Zeit sprechen zu lassen.
Mögen diese daraus besonders lernen, daß bei
den Alten ein Werk angewandter Kunst, das
dem Material völlig gerecht wurde, niemals
das Resultat eines fein säuberlich auf dem
Reißbrett entstandenen Entwurfs war, sondern
lebendig und im besten Sinn handwerksmäßig
aus dem Material herauswuchs.

Als sich das 18. Jahrhundert seinem Ende
zuneigte, verlor das geschmiedete Eisen als
Kunstübung seine Bedeutung und erst in den
letzten Jahrzehnten suchen tüchtige Kunsthandwerker
wieder da anzuknüpfen, wo sie die
Ausformung des Materials in höchster Blüte
erkannten, bei der späten Gotik. Allerdings
haben sie dieses Anknüpfen zumeist allzusehr
im imitatorischen Sinn gemeint, und haben
sich so auf Nachahmungen schöner alter Vor-

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