Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 39. Band.1919
Seite: 126
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_39_1919/0154
nachdrücklicher müssen heute die Verdienste
eines solchen künstlerischen Schaffens von einer
unbefangenen Kunstbeurteilung hervorgehoben
werden.

Die Wiener Luft ist weich. Was der Wiener
liebhaben soll, das muß ihm entgegenkommen
, muß sich bei ihm einschmeicheln.
Den Weg zu starrer Eigenwilligkeit zu suchen
, schroffe Unnahbarkeit zu besiegen, das
lockt ihn nicht. Darum läßt ihn noch immer
Hebbel kühl, darum bleiben ihm Ibsen und
Strindberg fremd, darum war, als ein edler
Kunstfreund, lehrhafte Zwecke verfolgend,Wien
Max Klinger gewissermaßen aufnötigen wollte,
ein unleugbarer Mißerfolg sein Lohn. Man darf
auch nie vergessen, daß die Lieblingskunst der
Wiener bis auf den heutigen Tag die Musik ist.
Von den bildenden Künsten aber steht ihnen
gewiß die Skulptur am fernsten. Was sie aber
von ihren öffentlichen Standbildern ins Herz
geschlossen haben: Donners „Brunnen auf dem
Neuen Markt", Canovas „Christinendenkmal in
der Augustinerkirche", Zauners „Kaiser Josef",
Gassers „Donauweibchen im Stadtpark", Kundmann
-Weyrs „Grillparzerdenkmal", Tilgners
„Mozart", — all diese Bildwerke haben, so verschieden
sie untereinander sind (man halte bloß
die etwas äußerliche Beredsamkeit vonWeyrsRe-
liefs neben Zauners vornehme Zurückhaltung),
doch eines gemeinsam: eine leichtfaßliche Anmut
.

Gerade diese Anmut aber ist ein hervorstechendes
Merkmal von Müllners Arbeiten. Heute
gehen aber, was übrigens auch schon die zeitgenössische
zünftige Ästhetik festgestellt hat,
in Sachen der Kunst das Urteil der Massen und
das einer kleinen Minderheit, die die wahre Kennerschaft
gepachtet zu haben vermeint, keineswegs
zusammen, und was Müllner zu einem po-
pulärenWiener Künstler zu machen geeignet ist,
das schadet ihm unzweifelhaft in den Augen
jener kleinen Anzahl von Kunstrichtern, deren
Hauptfehler es ist, aus lauter Angst davor, den
kommenden Messias derKunst zu verkennen und
für alte Zöpfe angesehen zu werden, allzusehr
der neuesten künstlerischen Mode zu huldigen.

* *

Bereits die ersten drei größeren Arbeiten, die
von Müllner öffentlich zu sehen waren, verkörpern
meines Erachtens des Künstlers Eigenart
aufs anschaulichste. 1907 stellte er in der Se-
cession eine halblebensgroße Bronzegruppe
„Spiel" (heute im Besitz vonOdendal in Wien) aus
(Abb. S. 125). Er erhielt dafür den Reichelpreis,
d. i. der größte in Wien zu vergebende Künstlerpreis
, und nachher in St. Petersburg die
goldene Medaille. Zwei geschmeidig schlanke

Pantherkatzen schmiegen sich, die eine in die
Höhe strebend, die andere sich duckend, in
schmeichelndem Spiel einem stehenden Mädchen
an, das sich unter dem wohlig kitzelnden
Eindruck der Liebkosungen lächelnd leicht zusammenkauert
. Wundervoll ist diese Gruppe,
die dem Betrachter von allen Seiten gleich hohen
Genuß gewährt, belebende rhythmische Bewegung
, die sich in den verwandten Körpern der
prachtvollen Tiere und des schönen Menschenkindes
aufs anmutigste ähnlich äußert. Der 1910
geschaffene „Schubertbrunnen" (Abb. S. 129), eine
Marmorskulptur, stellt ein sitzendes Nixlein dar,
an das sich zutraulich Forellen drängen; eines
der an ein berühmtes Lied des Komponisten erinnernden
Fischlein über der linken Achsel des
Mädchens dient als Wasserspeier. Mit glücklicher
Hand ist auch hier ein glücklicher künstlerischer
Gedanke in die Tat umgesetzt. Das
dritte Werk, der ein Jahr später entstandene
nackte Reiter, ist eine überlebensgroße Bronzeplastik
(Abb. S. 124). Auf einem ruhig stehenden
Pferd sitzt ein nackter Mann; er ist leicht vorgebeugt
, stützt sich mit der rechten Hand hinten auf
den Rücken seines Tieres, beschattet mit der linken
seine Augen und späht scharf und fest nach
vorne. Roß und Reiter sind von gebändigter
Kraft geschwellt, alle Linien aber fließen angenehm
und natürlich, die Stärke ist durch Anmut
gelindert. Der Brunnen mit dem Wasserweibchen
ist im Hof des Schubertmuseums der Stadt
Wien aufgestellt. Ein minder glückliches Schicksal
widerfuhr dem Reiter, der zwar der Staatsgalerie
gehört, aber infolge Raummangels nicht
ausgestellt ist.

Den drei besprochenen Arbeiten Müllners gemeinsam
ist die große Rolle, die bei jeder von
ihnen demTiere zugewiesen ist.Der Künstler interessierte
sich schon als Schüler derWienerAkade-
mie lebhaft für die Tiere und studierte sie eifrig
in derSchönbrunnerMenagerie, und noch in seine
Lehrjahre reicht der Beginn einer Reihe meist
kleinerer Arbeiten in Bronze, Stein, Kunststein,
Porzellan, Wachs oder Gips zurück, die ausschließlich
Tiere, und zwar Panther und Pumas
, Robben, Seelöwen und Seehunde, Hauskatzen
und Pferde (einen Pegasus) darstellen.
Außer den bereits erwähnten hat derKünstler auch
noch andere Gruppen geschaffen, die sich aus
Menschen und Tieren zusammensetzen, und
zwar immer wieder und mit offenbarer Vorliebe
und entschiedenem Erfolg. Davon seien die
Gruppen „Orpheus" (er sitzt auf der Erde, neben
ihm liegt ein Löwenpaar; brauner Marmor,
1905, bei Herrn Igler in Lawies) und „Kampf"
(ein Mann ringt mit einem Bären; Bronze,
1907, im Palais Wittgenstein in Wien) besonders
hervorgehoben. Hierher gehören auch die

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