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ARTHUR KAMPF
Akademie der Künste, Berlin
Abfolge der Figuren, eine bestimmte, wenn auch
kühle Art der Linienführung. Seine Farbe
bleibt, wie auch in der starken Baukraft seines
„Liebespaars" (Abb. S. 413) in der Akademie
wenig teilnehmend an dem Mühen der Form.
Ohne räumliche Werte bleibt sie flach und nur
dekorativ. Selten war ein Talent in letzter Zeit
in so jungen Jahren derart fertig, ausgereift.
Einen besonderen Eindruck hat die Akademieausstellung
sich durch die reiche Schau guter
Plastiken gesichert. Es galt zwei toten Akademiemitgliedern
ein Gedenken zu weihen. Doch
erscheint auch auf der Freien Secession von
Louis Tuaillon ein Teil seiner Werke. Schneller
als man dachte ordnet sich seine Erscheinung
einem bestimmten Schulbegriff ein, in dem
Marees und Hildebrand sich verbinden. Die
ausgestellten Werke zeigen, wie nur im Porträt
sich die Begasschule noch einiger Frische erfreute
, in ihren Erfindungen aber Proportion
und Milieu der Figuren manierierte.
Kommt man von seiner Phryne in
Sessel und drapierten Gewändern
in Bronze zu seiner kostbaren Sandalenbinderin
, zu jener königlichen
Nacktheit, dann begreift man, daß
der Name Marees nicht nur ein
neues Stilexempel gewesen sein
kann, sondern eine ganze Lebensanschauung
hervorgerufen haben
muß, die sich neues Streben suggerierte
(Abb. S. 414). Wie in seiner
berühmten Amazone fließen
auch hier Flächen in Flächen über,
ohne auch nur einmal der Umrißlinie
eine Kaprice, eine Neckischkeit
zu erlauben. Die Reinheit
dieser Gesinnung, die seiner Phryne
in der Begaszeit gänzlich fehlt, ist
das köstlichste Geschenk Marees'.
Seine Gefahr lag im Format mit
der Forderung des Monumentalen.
Zur Monumentalität gehört eine
innere Ruhe, die der Ausfluß des
Gefühls einer unbedingten Sicherheit
ist. Er hat sie besessen beim
kleinen Format, nicht immer beim
großen. Sein lebensgroßer Stier
in Marmor findet nicht in allen
Stellen jene Bindung zur einheitlichen
Masse, die allein uns von
der latenten Vitalität dieses Tieres
zu überzeugen vermag. Eine Überraschung
bietet die langversteckte
Kunst Ernst Moritz Geygers. Aus
Florenz durch den Krieg vertrieben
, führt ihn die Akademie durch
eine kleine Kollektivausstellung als
Plastiker und Graphiker ein. Wie Max Klinger
hat er vom Menzelschen Erbe nicht nur die
ungeheuere Arbeitsenergie, sondern auch jene
unbeirrbare Sicherheit in der Auswahl des Charakteristischen
der bewegten Erscheinung sich
bewahrt, die ohne jeden besonderen Stilzwang
ihre Form prägt. Stellt man seinen Hirsch,
Rehe usw., Teile eines Brunnens für Neukölln-
Berlin, neben den Stier Tuaillons, wird man der
anderen und frischeren Art gewahr (Abb. S.409).
Dieselbe Größe im Format aber ohne jede Monumentalabstraktion
.
Einen zweiten Toten ehrt die Akademie durch
eine Auswahl der Arbeiten Franz Metzners.
Monumentalität um jeden Preis, in jedem Maßstab
, war sein Leitmotiv. Sie war nicht wie
die Tuaillons langsam gefiltert, sondern kunstgewerblich
in höchster Geschicklichkeit erzwungen
. Mit einem Sinn für alles geistig Undisziplinierte
, hingegeben allen dumpfen Tonarten
FICHTE-BÜSTE
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