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ARCH. OSWIN HEMPEL-DRESDEN SALONWAGEN DER SÄCHSISCHEN STAATSEISENBAHN
Ausführung: Sächsische Waggonfabrik Werdau A.-G. in Werdau
einigen neuen Bodenseedampfern einmal ein
einzelner Künstler das Recht erhielt, einen
Innenraum größeren Formats, Treppen, Kabinen
und Wandelgänge aus dem Bewußtsein
der deutschen Sachlichkeit und Behaglichkeit
heraus einheitlich zu gestalten, blieben doch die
großen Verkehrsgesellschaften an der Waterkant
lange an den Stil des „schwimmenden
Hotels" gebunden, wie ihn der Yankee bewunderte
und suchte. Nicht der zukunftsfrohe
Amerikanismus, der nach Goethes wunderlichem
Seufzer keine verfallenen Schlösser und
keine Basalte kennt, sprach hier das entscheidende
Wort, sondern der Parvenügeist der
Dollarmagnaten und die gedankenlose Prunkliebe
der Globetrotter. Noch kurz vor dem
Kriege ist über den Mangel an Gegenwartsbewußtsein
in der architektonischen Durchbildung
der Hapagdampfer der Stab gebrochen
worden, zu einer Zeit, als schon Heinrich Wie-
gand und der Norddeutsche Lloyd auf dem
„George Washington" und der „Kronprinzessin
Cecilie" den besten Kräften der modernen
Raumkunst freieste Betätigung ermöglicht
hatten.
Der Krieg hat die deutsche Handelsflagge
und mit ihr die mächtigen Dampfer, auf denen
deutsche Kultur an die Pforten unserer überseeischen
Geschäftsfreunde getragen wurde,
vom Weltmeer weggefegt. Die expansiven Bestrebungen
unsrer Nation müssen sich die unfreiwilligen
Ferien gefallen lassen. Und dem
Erdreich unseres engeren Vaterlandes, das
durch den langen Zweifrontenkampf zur denkbar
höchsten Anspannung seiner Verkehrsmittel
gezwungen war, noch Blüten künstlerischer
Neugestaltung abzuringen, scheint nahezu unmöglich
. Was die Industrie vor dem Ausbruch
des Krieges auf diesem Gebiete geleistet hat,
davon hat uns die Kölner Werkbundausstellung
noch einige sehr glückliche Proben gewiesen
. In den Schlafwagen, die Walter Gropius,
in den Speisewagen, die August Endell geschaffen
hatten, und die von Van der Zypen und
Charlier in Köln-Deutz in mustergültiger Weise
ausgeführt waren, war nicht nur das Äußerste
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