Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 41. Band.1920
Seite: 340
(PDF, 126 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_41_1920/0390
gestaltet und er schöpft dabei mit dem glücklichen
Überschwang seines Wesens aus dem
reichen Quell seiner starken Vollnatur. So sind
seine Gebilde nicht von außen betrachtete stilistisch
zurecht gemachte Figuren, sondern Ausdruck
neuen Lebens und Erlebens.

In verschiedenem Gestein, in Ton, in Bronze
und Wachs schafft Moeller. Er ist auch Graphiker
, ein ausdrucksvoller Gestalter von vielseitiger
technischer Gewandtheit. Doch seine Ur-
gesichte sind stets plastische Vorstellung, die
letzthin zur bildnerischen Verkörperung strebt.
Er ist der geborene Plastiker.

Die frühe Meisterschaft, die seinem regen
schöpferischen Gestaltungsdrang schnell die Beherrschung
aller technischen Mittel an die Hand
gab, dankt er dem günstigen Geschick, das seiner
natürlichen Anlage rechtzeitig die geeignete
Erziehung bot. Edmund Moeller wurde am 8.
August 1885 in Neustadt in Sachsen-Coburg geboren
und erhielt seine erste bildnerische Anleitung
in der dortigen Industrie- und Gewerbeschule
. Mit 17 Jahren kam er in eine Bildhauerwerkstatt
nach Düsseldorf. So hatte er sich schon
ein gut Teil Handwerkskenntnis und Können
angeeignet, als er ein Jahr später zum Kunststudium
in die Dresdener Kunstakademie eintrat.
Mit 19 Jahren erhielt er den Rompreis und zog
nach Italien. Rom wurde sein Hauptsitz. Während
seines mehr als fünfjährigen Aufenthalts
im Süden unternahm er auch mehrere Reisen
nach Griechenland und nach dem Orient und
kam bis nach Nordafrika. Daheim hatte man ihn
indessen nicht aus den Augen verloren. Er erhielt
den sächsischen Staatsauftrag zu einem
Monumentalbrunnen für die Stadt Krimmitschau
und nahm infolgedessen seinen Wohnsitz in
Dresden.

Die erste Gesamtausstellung seiner frühen Arbeiten
, die er nach seiner Rückkehr veranstaltete
, ergab mit dem Beweise vielseitigen Könnens
bereits die Merkmale der besonderen Wesenheit
seiner Kunst. Die Gestalten eines auf einer
Kugel balancierenden Jünglings, der ihm den
Rompreis eingetragen hatte, und eines Silens
als Brunnenfigur, der mit der goldenen Medaille
in Berlin 1913 ausgezeichnet worden war und in
Besitz der Sächsischen Staatssammlungen überging
, umspielten noch leise genrehafte Züge, die
auf die Schule von Diez in Dresden zurückführten
. Aber schon ein entzückendes Hirtenbrünn-
chen mit architektonisch fein gestaltetem Unterbau
und vollends diebedeutendste der unter dem
Himmel Roms entstandenen Figuren, die Bronzestatue
eines David von Donatelloschem Geiste
nebst einer statuarischen Mädchengestalt und
verschiedenen Büsten und Tierstatuetten ließen
in ihrer strengen Gemessenheit die fruchtbaren

Einwirkungen der klassischen Kunstkultur verspüren
, der Antike wie der Hochrenaissance.
Sie erschlossen ihm Wesen und Geist der Plastik
und weckten in ihm Artverwandtes. Aber er erlag
den starken Eindrücken nicht.

So wie er mit offenen Augen und empfänglichen
Sinnen sah und aufnahm, fand sein Schmucksinn
neue Anregung und wuchs und veredelte
sich durch die wachsende Erkenntnis vom Wesen
monumentaler Größe. Vor Nachahmung bewahrte
ihn die unverbildete Ursprünglichkeit
seines Fühlens, sein in der Gegenwart begründeter
Vorstellungsschatz, ein gewisses jugendliches
Naturburschentum. Dafür erwarb er aber
als unvergängliches Erbe der Antike das Grundprinzip
ihres Schaffens, — es ist das der Vereinfachung
. Seine Menschen sind in ihrem ganzen
Organismus die wahren Erdgeschaffenen.
Aber ihre ganze Erscheinung führt er auf die
einfachste, elementarste Form zurück samt den
Gewandstücken, die mit dem Körper zur Einheit
verwachsen. Die nackten Körper mit den straffen
Halssehnen, die verschrenkten Leiber, die sich
beugenden Nacken und Rücken, die sich reckenden
Glieder und straffenden Muskeln sind ohne
kleinliche Einzelheiten gegeben. Auch die Bewegungen
hat er in ihrer urtümlichen Wucht
gepackt. Die Köpfe, markig und groß geschnitten,
steigert er über Bildnisse hinaus zu Eigentypen.
So breitet sich über seine Werke etwas wie der
Stil der Erhabenheit. Statuarisch geschlossen
bauen sie sich architektonisch auf und verbinden
sich der Architektur.

Je weiter um so stärker wird dann der Geist
der Gegenwart im eigensten Empfinden lebendig
und formt Gestalten von persönlichstem
Gepräge.

Ein Denkmal heiterer Lebensbejahung entstand
in der überlebensgroßen Tänzerin, die
zuerst in dunklem Wachsguß erschien. Die Gestalt
berührt mit dem rechten Knie den Boden,
auf dem der Fuß des linken, im Knie gebogenen
Beines ruht. Ein Tuch leicht über das linke
Bein gelegt, faßt den Unterkörper zusammen.
Der Körper seitlich rückwärts geneigt, läßt die
Bewegung durch die Wendung der gegenein-
andergebogenen Arme und Hände melodisch
ausklingen. Eine Tanzfigur im Rhythmus eines
feierlichen Reigens, ein voller Takt einer wiegenden
Musik, die den schön gebauten Frauenleib
durchströmt, ganz Ausdruck des Geschehens,
in der Form streng geschlossen, ganz Statue.
Diese künstlerisch formulierte Geste ist Äußerung
echt Moellerscher Art, seines schwungvollen
Wesens, eines schwelgenden Genießens. Das
Werk wurde in der Ausführung in Muschelkalk
von der Stadt Dresden erworben und in den
Anlagen der Bürgerwiese aufgestellt, wo es, von

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