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SONDERAUSSTELLUNG RICHARD TESCHNER IM ÖSTERREICHISCHEN MUSEUM FÜR KUNST UND
INDUSTRIE, WIEN: AU3ZENANSICHT
RICHARD TESCHNER
Im vergangenen Spätwinter hatte Wien ein
Bühnenereignis kleinsten Formates unter
recht seltsamen Begleiterscheinungen.
Man kam in einen schmalen Vorraum. Am
Mittelpfeiler auf hohem Podest ein Gehäuse,
darinnen eine nackte weibliche Figur aus Alabaster
. Ein warmer Lichtschein hüllte sie ein
und sie gab ihn zurück mit der stärkeren,
strahlenden und doch heimlichen Kraft ihres
Stoffes. Dann trat man in einen kleinen Saal.
An den Wänden in regelmäßigen Abständen
gleichgroße Tafelbilder, graubraun oder kühl
in der Farbe, gefüllt mit ernsthaft beschaulichen
, in sich versunkenen, erstarrten oder entrückten
Gestalten, — Symbolen östlicher Gedankenwelt
. Dazwischen aber lebte es bunter,
mutwilliger, launiger auf. Da waren zunächst
die kleinen Bilderquadrate mit den deutschen
Märchen, spitz, possierlich und doch umwoben
von feinen, klingenden Stimmungen. Dann auf
schwarzen Holzpfosten das lustigste Spukgesindel
aus allerhand Steinen, mit Gläsern und
Metallen leuchtend durchsetzt, so merkwürdig
geformt und erfunden, daß das Auge nicht genug
hatte und die Hand nicht übel Lust bekam
, dem Wohlgefühl des Bildners tastend
nachzuspüren. Doch da hieß es auch schon
sich niedersetzen; denn man war ja zu einem
Bühnenspiel geladen und das sollte gleich beginnen
.
Man suchte seinen Platz und befand sich nun
einem geschlossenen Goldschrein gegenüber.
Der Saal wurde dunkel, die Türen am Schrein
gingen auf und Musik setzte ein, — ein dünnstimmiges
Dosenstück, immer wiederkehrend,
wie das Rieseln eines Springbrunnens in einem
fernen Garten. Der Prospekt zeigte einen einsamen
Berggipfel. Seine schwarze Silhouette
stand gegen die rötliche Flamme des Abendhimmels
, vorne mischten sich Licht und Schatten
zur ungewissen Dämmerung. Und in diese
geheimnisvolle, von kosmischen Schauern berührte
Sphäre stelzte nun von linksher eine
Figur. Das erste tragische Spiel begann.
„Kosumös Opfertod", eine altjavanische Legende
. Kosumö und seine Frau Umab sind
kinderlos. Sie haben beschlossen, ins Gebirge
zu gehen und den Geist des Feuerberges, Brömö,
um den Segen der Fruchtbarkeit zu bitten.
Kosumö bringt die Nacht auf der Höhe des
Dekorative Kunst. XXIV. 6. März 1921
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