http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_49_1924/0298
italienischer und griechischer Landschaften ersetzen
? —
Drei bestimmende Faktoren sind es nach
der Ansicht eines neueren Kunsthistorikers gewesen
, welche Rottmanns Begabung nachhaltig
beeinflußten: das Studium Kochscher Gemälde,
die Alpen und Italien. Die beiden ersten haben
wir bereits kennengelernt. Welchen deutschen
Maler hat nicht die Sehnsucht nach dem Süden
gepackt, angefangen von Dürer bis zu Hackert,
Koch, Maler Müller, ja bis zu Max Klinger
und Hans Thoma? Genährt und gestärkt wurde
diese Sehnsucht zu Beginn des 19. Jahrhunderts
durch die deutsche Romantik, durch Übersetzungen
von Dante, Tasso, Ariost. Ernst
Fries hatte bereits seine Mappe mit Zeichnungen
und Studien italienischer Städte und Landschaften
zu füllen begonnen. Koch war, als
seine Erwartungen in Wien sich nicht erfüllten
, nach Rom zurückgekehrt. Rottmanns erster
italienischer Aufenthalt (1826 — 28), durch den
freundschaftlichen Umgang mit Platen und
Kopisch verschönt, war für unsern Künstler
die glücklichste Zeit seines Lebens. Kurz vorher
hatte er in München eine Verwandte, die
Tochter des Schwetzinger Hof gartenintendanten
Sckell, heimgeführt. Im August 1826 schreibt
der Jungverheiratete seiner Frau aus Genua:
„Ich möchte nur den Leuten, die so viel gesehen
haben, begreiflich machen können, daß
man noch nicht das Schönste malen kann,
wenn man auch alle schönsten Gegenden der
Welt gesehen hätte. Ich bedarf für mich so
vieles nicht, nur einen Ort, der mir meinen
Sinn ausfüllt, wo ich unbefangen sein und nur
mir überlassen bleiben kann."
Zwei Jahre eifriger Arbeit mußten hinreichen
, um sich Italiens geistig und künstlerisch
zu bemächtigen, sich in die Natur und die
geschichtliche Vergangenheit zu vertiefen, die
an kunst- und kulturhistorisch bedeutsamen
Orten lebendig zu dem Dreißigjährigen sprach.
Von der Veroneser Klause bis zum Ätna auf
Sizilien durchquert er diesen Boden, dessen
Gestaltung und inneren Aufbau er gleichsam
aus sich heraus neu schuf, so schuf, wie er ihn
sah und wie er ihn später nach seiner reichen
Skizzenmappe unter den Arkaden des Münchner
Hofgartens (Abb. S. 267) in edler Einfalt
und in stiller, erhabener Größe an die Wand
zauberte. Mit Goethe wird sich unser Künstler
gesagt haben: Gewiß, es wäre besser, ich käme
gar nicht wieder, wenn ich nicht wiedergeboren
zurückkommen kann.
Von dem Schöpfer der Iphigenie und des
Tasso wissen wir, wie der Aufenthalt in Italien
auf diese reinen und reifen Dichtungen eingewirkt
hat, ja wie er in Goethe den Plan zu
einer Nausikaa erstehen ließ. Mit seinem Zeichner
Kniep durchstreift er, fast 40 Jahre vor
Rottmann, die Campagna und die Kornkammer
Roms, Sizilien, bis dem Dichter am 18. April 1787
zu Palermo das Geständnis in die Feder fließt:
Italien ohne Sizilien macht gar kein Bild in
der Seele.
Diese Erkenntnis scheint unserm Maler nicht
weniger aufgegangen zu sein als Goethe, denn
fast die Hälfte seiner Arkadenfresken ist Sizilien
gewidmet. Wohl hat König Ludwig I. von
Bayern, der Rottmann mit der Ausmalung der
Arkadenfelder in der dem Künstler damals noch
nicht geläufigen Al-fresco-Technik beauftragte,
aus dessen Studienmappe nach seiner Rückkehr
aus Italien mit ausgewählt, aber wir dürfen
doch annehmen, daß der königliche Auftraggeber
dem Künstlerwillen etwas freien Spielraum
ließ. Seine eigene Huldigung an Italien brachte
der König in den Distichen zu den Fresken
zum Ausdruck.
Es erübrigt sich, über die leider immer mehr
erlöschende Schönheit der Arkadenfresken viel
Worte zu machen. Man hat die unvergleichliche
Farbensymphonie Rottmanns nicht mit
Unrecht mit dem getragenen Periodenbau landschaftlicher
Schilderungen seines Zeitgenossen
Alexander von Humboldt verglichen. In seinem
feinsinnigen Essay über unseren Maler hat
A. Bayersdorfer ihre Bedeutung also umrissen:
„Er hatte ein Werk geschaffen, das noch auf
ferne Geschlechter hinaus unerreicht dastehen
wird, in welchem sich der strebsame Geist
seiner Zeit und der neu auflebende Humanismus
, der Schöpfer der neuen Geistesrichtung,
aussprachen. Nicht nur für die Kunstgeschichte,
auch für die Grundlagen unserer modernen
Bildung hatte er ein bleibendes Denkmal geschaffen
."
Es ist hier der Ort, einiges über das Rott-
mannsche Landschaftsbild im allgemeinen zu
sagen. Es handelt sich hierbei weniger darum,
zu untersuchen, ob wir es bei Rottmann mit
der historischen oder heroischen Landschaftsmalerei
zu tun haben. Streng genommen ist
sie keines von beiden, wenngleich Anklänge
an beide in dem italienischen wie in dem griechischen
Zyklus seiner Landschaften vorhanden
sind. Es ist sein unbestrittenes Verdienst, daß
er die damals in Italien vorherrschende Vedutenmalerei
überwunden hat.
Es mag dahingestellt bleiben, ob man von
einer sittlichen Illusion im Sinne Philipp Hackerts
bei Rottmann reden darf. Und doch teilt er
mit diesem die Überzeugung: Es gehört zu der
Landschaftsmalerei überhaupt nicht allein ein
feiner Geschmack und ein feines Gefühl, sondern
es ist auch ein anhaltender Fleiß erfor-
264
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_49_1924/0298