Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 49. Band.1924
Seite: 317
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J. SCHNORR VON CAROLSFELD

DAS GLEICHNIS VON DEN ÄHREN

durch die Bühne vermittelter Gehalt, wie man an
Schinkel und Blechen sieht. Für diese Mystik
fehlt eine malerische Tradition, doch hat die klassizistische
Landschaft auf römischem Boden vorgearbeitet
. Für einen hohen Stil der „Gedankenmalerei
" stand nichts als die Antike zur Verfügung.
Für die Nazarener wäre also der Schritt zur
Realisation ihrer betont christlichen Weltanschauung
in einer andern als der von ihnen übernommenen
Form eine größere, gar nicht im Gesichtsfelde
der Zeit gelegene Leistung gewesen. Denn
im Quattrocento fanden sie Innigkeit, bei Raffael
Hoheit. Sie sind nicht einfach Kopisten geworden
trotz den Anklängen an Kompositionsschemata
Peruginos undRaffaels. Der gotische Naturalismus
schützte davor. Die Tragik liegt nicht im Verlust
der Farbe, sondern dies letztere ist eine Folge
des Mangels an Aufgaben im Fresko. Denn die
Zeichnung als Endzweck findet sich ebenso häufig
bei der horddeutschen Romantik, andrerseits führte
auch das Sonnen- und Formenerlebnis Italiens
zur malerischen Stimmungslandschaft der Rohden,
Fohr, Dahl und Blechen. Die nord- und süddeutsche
Begrenzung ist daher nicht ausschließend: Namhafte
Nordländer (Oldach, Wasmann, Speckter
u. a.) tauchen bei den Nazarenern unter, Nazarener
dagegen 'sprengen die Fesseln ihrer Stilerziehung
, so Olivier, Nerly, Rohden. Nur der
Verzicht auf Anschauung führt zu Dekoration
und Akademismus der Veit, Cornelius und Schadow.

Für viele ist Italien kein notwendiges, höchstens
ein klärendes Erlebnis. Sie finden im Volksleben
Italiens Anschluß ans Leben, sie finden Natur
und Heimat auf dem Umwege über die Fremde.
Mitten inne zwischen malerischem und zeichnerischem
Stil gelangt man von der Staffage zur
Illustration, durch die Kraft romantischer Stimmung
zu Märchen, Sage und Erzählung. Das ist
die Bedeutung für L. Richters und Schwinds
Stellung in der neutralen Mitte der Ausstellung.
Der Schritt vom Romantiker zum Biedermeier
bedeutet Versöhnung von Kunst und Leben, einen
Schritt zur Wirklichkeit. In lokaler Begrenzung
von München und Berlin verklärt mit der Stimmung
der Zeit die Enge des Alltags der köstliche Humor
Spitzwegs wie der aufdringliche Hosemanns; da
schlägt sich der äußere Gehalt der Zeit an Romantik
nieder im Militär- und Kriegsbild W. v. Kobells
und Krügers. Nüchtern aus handwerklicher Gesinnung
bei diesem, malerisch durch Einfühlung in
die feine atmosphärische Stimmung der Holländer
bei jenem. Poetisch verschmilzt Natur und Leben
der Bauern und Kinder das Genrebild Bürkels
und Waldmüllers, während die heroische Gebärde,
ins Malerische versetzt, aus Mangel an Anschauung
an ihrem Widerspruche erkaltet z. B. bei Preller.

Im Bildnis zeichnet die ganze Epoche sich aus;
hier ist die Wirklichkeit, wo Tradition, Erfahrung
und Anschauung sich zusammenfindet. Da gelingt
auch einem unbedeutenden Akademiker ein Meister-

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