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(durch den Treppeirturm). In Übereinstimmung
mit der Südfassade ist auch hier die Komposition
mehr horizontal. In seiner Anspruchslosigkeit
ist der Hauptteil hier glücklicher als der
entsprechende auf der Südseite.
Auf beiden Fronten geben die oberen Fensterreihen
den Eindruck eines Dachfrieses, allerdings
nicht mehr so stark und rhythmisch gebunden
wie in Östbergs erstem Entwurf, der
einen Granitbau vorsah. Der spätere Entwurf,
der dann als Ziegelbau ausgeführt wurde, durchbricht
auch den ursprünglich einheitlichen Plan
der Horizontal-Komponierung aller Fronten,
und zwar auf den westlichen Teilen der beiden
Hauptfassaden und der ganzen Westfassade andeutungsweise
, wohl um die geringere Höhe
dieses Teiles auszugleichen: der südliche Portikus
wird in Form von Arkaden um den Fuß
des ganzen Westteiles herumgeführt und teilweise
in flachen B lind ni sehen nach oben gestreckt.
Durchaus ausgesprochen is t die vertikale Gliederung
an der Ostfront, die der Stadt zugekehrt
ist. Auch hier die Umformung der ursprünglich
horizontalen Fassung. Sie ist mit einer der
stärksten Eindrücke der Außenansicht geworden
. Mit hohen Fensternischen — stilistisch an
spanisch-maurische Architektur erinnernd —
ist die Front geteilt. Vom Sockel zunächst als
tiefe Blindnischen aufsteigend, finden doch bald
die hohen Fenster des Beratungssaales Raum.
Die Front liegt fast den ganzen Tag im Dunkel,
und der Ziegelstein bietet ohne Licht wenig
Wirkung; so hat Ostberg offensichtlich diese
Front auf tiefes Dunkel komponiert und dies
durch den verhältnismäßig weit überragenden
Dachstuhl des Kupferdaches verstärkt. Ferner
entstanden durch den zweiten Entwurf zwei
Türme, deren einer im Grundriß dreieckig nach
der Nordfront überleiten soll, während als Verbindung
zum Hauptturm der „Jungfrauenturm"
dient, der mit einer Bronze, St. Göran im Streit
mit dem Drachen, gekrönt ist.
„Der Turm," wie er in Stockholm kurz genannt
wird, ragt in der Südostecke bis zur Höhe von
106 m empor. Er hat wohl durch die Notwendigkeit
des zweiten Entwurfes für einen Ziegelbau
die stärkste Veränderung erfahren: an Stelle
eines mächtigen „Berges" steht nun ein wesentlich
schlankeres Gebilde, und der Künstler, dem
die Durchführung in einem Material versagt
war, hat sich im Abschluß nach oben mit seiner
Vorliebe für die Stork }~rka von Carlberg getröstet
und als Krönung das alle schwedische
Motiv auf der Burg Gustav Wasas, die drei
Kronen, wieder als leuchtendes Zeichen über
Stockholm gesetzt.
Betritt man durch den Haupteingang an der
Nordfront — dieser selbst kräftig in der Rundung
und stark betont durch zwei Granitportefeuille
— den „Bürgerhof", so befindet man sich
in dem östlichen Zentrum. Hier ist eine auffallend
nüchterne Stimmung. Die Formen der
Fassaden erinnern stark an alte Wasaburgen.
Die Ostseite des Hofes hat wie seine Westseite
vorwiegend vertikale .Linien, die Ostseite durch
kannelierte Deckpfeiler mit stilisierten Kapitalen
. In der Anordnung der Pfeiler ist merklich
jede Symmetrie vermieden, während die Westseite
eine gleichmäßig kräf tige Gliederung durch
fünf tiefe Nischen zwischen zwei fast diagonal
gestellten Türmen aufweist. Die Nordseite hat
etwas Strenges in ihrer mehrhorizontalen Gliederung
durch die Fensterreihen. Der Torbogen
ist durch die Plastik von Gustav Sandberg „Heilige
mit Krone" gekrönt, die zwischen zwei
Fenstern in einer Nische steht. Die Südseite, zu
der der gepflasterte Hof sich leise senkt, wird
durch das Bild, das der Durchblick durch den
Portikus auf Riddarfjärden bietet, stark belebt.
Die Westseite öffnet in den Nischen mit ihren
Portalen den Eingang zu dem westlichen Zentrum
des Baues, der „ Blauen Halle". Der Wechsel
der Stimmung ist hierbei eminent. Bereits
in der geräumigen Garderobe trägt alles einen
Akzent von Eleganz und modernem Komfort.
Und wenn auch der ursprüngliche Plan, der
Blauen Halle ein Glasdach zu geben, von Ostberg
geändert wurde, und die Halle nun gedeckt
ist, so hat man in der Raumwirkung doch den
Eindruck eines Imaginären des Räumlich-Gedeckten
. Mag nun die blau gehaltene Decke —
deren Baldachin inzwischen verschwunden ist.
— dazu beitragen, jedenfalls verstärkt wird dieser
Eindruck durch die kühne Gliederung der
Wandflächen, die nicht weniger als sieben Stockwerke
mit Diensträumen hinter sich verbergen.
Raumproportion und Beleuchtung sind so glänzend
gehalten, daß man es gerne versteht, daß
Ostberg auf den ursprünglich geplanten blauen
Putz — NB: „ Blaue Halle" — verzichtet hat und
sich mit den roh behauenen Ziegeln begnügte.
Auch verzichtete der Künstler hier auf das seltsame
Verfahren, mit dem er die Außenfassaden
belebte: die Ziegel, übrigens im Format des
Mittelalters, 9,5 X 13 X27CUL, geschlagen, mit
dem Kopfende über die Wandfläehe hinaus-
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