Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 53. Band.1926
Seite: 248
(PDF, 102 MB)
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LOVIS CORINTH

WALCHENSEE

Genie eigen ist, unvermittelt die Dinge in sich
aufnimmt und aus Eigenstem wiedergibt.
Das Porträtieren erregte ihn in gleichem Maße
als es ihn anzog. Uber die getroffene Ähnlichkeit
konnte er sich kindlich freuen, wie er über
das Nichterkennen verwirrt war. Unvorbereitet,
ohne die vorangehende, ihn quälende innere Erwartung
und Unsicherheit, schuf er einige seiner
schönsten Bildnisse. Vom Porträt Peter Hilles
- neben dem Grönvold der berechtigte Stolz
der Bremer Galerie — der im Mantel, den Hut
auf dem Knie, dargestellt ist, erzählte er mir,
warum es in dieser Form entstanden sei. Peter
Behrens hatte ihn Corinth, als dieser ein interessantes
Modell suchte, zugeschickt, mit der Warnung
vor Hilles gewöhnlich sehr ausgedehnten
Besuchen. Als Hille kam und es sich bequem
machen wollte, sagte ihm Corinth, Behrens1
Warnung eingedenk, in seltener Geistesgegenwart
: „Lassen Sie man, ich male Sie so wie Sie
sind". Der Maler Grbnvold stattete Corinth nach
etwa fünfzehn Jährender Trennung einen Besuch
ab. Corinth wurde sofort von dem verwitterten,
interessanten Kopf angereizt und bat, ihn malen

zu dürfen — und zwar gleich, da eine Leinwand,
durch Zufall gespannt, bereit dastand. „Bitte,
aber malen Sie nicht die Augen", erwiderte der
eigenartige Norweger, aus einer Laune heraus.
Als Corinth nach zwei Stunden schweigsamer
Arbeit dieses schönste aller Porträts beendet
hatte, verabschiedete sich Grönvold, ohne sich
das Bild anzusehen. — Als er es kurz darauf
durch Zufall sah, war er erstaunt und meinte:
„Ich bat, die Augen nicht zu malen, da durfte
ich es mir doch nicht ansehen! Aber ich bin ja
ein Gespenst!" Dieses Werk, das in seiner Großartigkeit
, etwas Dämonisches hat, etwas geisterhaft
Jenseitiges, ist kurz vor dem Tode des
kraftstrotzenden Mannes entstanden, an dem
nichts ein so nahes Ende verriet. Wird man
nicht in gleicher Weise von Corinths letztem
Selbstporträt ergriffen, das ein Wissen und
Sehen offenbart, das rein visionärer, hellseherischer
Natur ist? Und die letzte farbige Christus-
Zeichnung, die alles enthält und ausschüttet, was
in der Seele eines Entsagenden an Schmerz und
Trauer, an Anklage und Ergebung aufgespeichert
ist?

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