Augustinermuseum Freiburg i. Br., [ohne Signatur]
Die Kunst: Monatshefte für freie und angewandte Kunst
München, 55. Band.1927
Seite: 8
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/die_kunst_55_1927/0022
ganzen sechs Bilder vorhanden sind, Alfred
Sisley (Seine im Frühling), entzücken hier das
Auge des Kenners.

Ferner isL Henri Rousseau durch ein Dutzend
Gemälde vertreten, denen ein besonderer Raum
eingeräumt ist, ebenso Henri Matisse und. durch
je sechs Bilder Maurice Utrillo, der jetzt in Paris
auf der Höhe des Ruhms steht, und der bei uns
noch wenig bekannte Maurice de Vlaminck.
Von Rousseau lenken besonders die großen Bildnisse
des Meisters und seiner Frau, der figurenreiche
„Tanz um den Freiheitsbaum" und der
„Urwald" die Blicke auf sich, von Utrillo die Basilika
von St. Denis, von Vlaminck die beiden
Dorfstraßen. Man könnte diese drei ohne Scheu
zu den Meistern der neuen Sachlichkeit rechnen.
Auch alle anderen bedeutenden Franzosen der
modernen Kunst wie Andre Derain, Camille
Corot, Paul Signac findet man in ausgesuchten
Stücken. So ist die ganze Entwicklung von Dela-
croix an über den Impressionismus, den Poin-
tillismus, den Kubismus, den Expressionismus
bis zur neuen Sachlichkeit in der reichen französischen
Sammlung, ergänzt durch Spanien,
trefflich zu überschauen.

In der belgischen Abteilung sieht man vor allem
eine ganz vorzügliche Sammlung von Werken
des jetzt 66jährigen Ostender Malers James En-
sor, die seine Entwicklung darlegen. Um 1890,
als bei uns der Impressionismus Fuß faßte, ging
Ensor zum Expressionismus über, den er selbständig
und maßvoll vertritt. Wären alle deutschen
Expressionisten so reif wie er, so wäre
auch unserem Expressionismus ein besseres
Schicksal beschieden gewesen. Ensors Hauptwerk
aus seiner Jugend: Kind mit Puppe, ferner
die Stilleben mit hellfarbigen, zart harmonischen,
eigenartig belebten Muscheln, die romantische
Andromeda von 1925 und die schwer zugänglichen
Maskenbilder ergeben ein volles Bild von
der starken Persönlichkeit dieses belgischen
Alleingängers. — Neben ihm stehen eine Reihe
anderer Künstler, die ganz anders geartet sind.
Das belgische Ministerium der Wissenschaften
und Künste hat drei Werke des ernsten dunkelmalenden
Künstlers Constant Permeke hergeliehen
. Ferner sehen wir u. a. das ernste
Bild „Mutter und Kind" von Gustave van de
Woestyne und die den alten Flämen nachempfundene
, sehr fein durchgebildete Winterlandschaft
von Albert Servaes.
Zu den Parisern gehört der Spanier Picasso,
dessen Entwicklung der Beschauer in zarten

Bildern überschauen kann. Wundervoll sind
vor allem die Werke seiner Frühzeit „Pferdeführender
Knabe" und „Frauenbildnis", die sich
durch zarte beruhigte Farbenschönheit und edle
Naturwahrheit der Formen auszeichnen und
tief einprägen. Dann folgen die Beispiele des
werdenden und vollendeten Kubismus, den Picasso
ins Leben rief, teils dunkeler, teils heller rein
linearer Art. Beispiele seiner Rückkehr zum
klassizistischen Figurenbild konnte Posse leider
nicht erlangen. Diese Umkehr zeigt zur Genüge
, daß der Kubismus nur ein kurioses Experiment
war und ist. Neben Picasso steht der
gleichstrebende Juan Gris und Jose de Togores,
von dem zwei rote scharf gezeichnete weibliche
Aktbilder auf stark gegensätzlichem Hintergrunde
stark wirken.

Italien ist gut vertreten durch Ubaldo Oppi und
Feiice Casorati einerseits, Giorgio de Chirico
und Carlo Carra anderseits. Carra war vordem
Futurist und malt jetzt konstruierte Landschaften
, Chirico zeigt im „Verlorenen Sohn" und
im Selbstbildnis ruhig aufgefaßte Menschen.
Ubaldo Oppis Frauenakte sind klar, bestimmt
und lebensvoll hingesetzte Menschengestalten,
Casoratis „Platonisches Gespräch" entfernt
sich mehr von der Naturwahrheit, ist aber ebenso
klar wie bestimmt, ebenso sein Bildnis der
Frau Dr. Wolff. Den Futurismus vertritt Seve-
rinis Bai Tabarin in Paris 1911, ein dekoratives
Ganzes, das aus Bruchstücken rasch einander
folgender Eindrücke besteht.
Von Paris abhängig sind sodann wieder: der
Japaner Tsüguharü Fujita, der in einem Bilde
„Vor dem Ball" kaum noch etwas Japanisches
aufweist, die Tschechoslowaken Georg Kars
(Sitzender Akt und Stilleben), Oskar Coubine
„Zwei Schulkinder", Filla und andere, endlich
die Polen Eugene Zak (Der Trinker), Iser und
Mo'fse Kisling (vortreffliche Bildnisse). Unter
den ungarischen Werken, die sich unabhängig
von Paris erweisen, ragen Josef Rippl-Ronays
Weihnachtsbild und Stefan Szönyis Bad als besonders
schön gemalt hervor.
Von dem uns stamm verwandtenOsterreich sehen
wir nur wenig, darunter die wohlbekannte, einem
starkfarbigen Teppich gleichende Jungfrau von
Gustav Klimt, Max Oppenheimers nicht minder
bekanntes Heß-Quartett und Egon Schieies
„Liegende Frau". Kokoschka, der allein von
Osterreich zu europäischem Ruhm gelangt ist,
hat u. a. eine prachtvolle weitsichtige Themselandschaft
ausgestellt.

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