Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 2651
Arbeitsgemeinschaft Freiburger Stadtbild [Hrsg.]
Freiburger Stadtbild (1974): Aufsätze - Vorschläge - Berichte
1974
Seite: 6
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/fr_stadtbild_1974-03/0006
Dr. Ingeborg Krummer-Schroth

»Freiburgs Baukunst der letzten 150 Jahre«
Gedanken zum Emsembleschutz

Jedes Jahrhundert nimmt sich das Recht, für seine Kunst und Werke, die es für Kunst
hält, Platz zu schaffen durch Zerstörung von Älterem, gleichviel, ob das Ältere tatsächlich „im
Wege" ist, oder nur so einfach als überflüssig angesehen wird. So räumte man schon in
Griechenland „altmodische" Skulpturen aus der Umgebung der Tempel ab und begrub sie,
um an ihrer Stelle neue Weihgeschenke aufzustellen. Unsere Archäologen graben jetzt
solche Werke als kostbarste Zeugnisse der griechischen Kunst aus. Sicher ist, daß die
Enkelgeneration ihrer Schöpfer sie für wertlos gehalten hat. So ist jede Kunstepoche unbarmherzig
mit den Werken ihrer unmittelbaren Vorgänger umgegangen, hat sie verkommen
lassen, verändert oder vernichtet, jedesmal mit dem Hinweis, diese Werke seien
wertlos, geschmacklos. Diese Urteile wurden bis vor wenigen Jahren auch über alle Werke
des späteren 19. Jahrhunderts gefällt und begründeten ihre Vernichtung. Als man zu Anfang
des 20. Jahrhunderts begann, die großartigen Werke von Schinkel, Caspar David Friedrich,
Runge und die Literatur und Welt der Romantik zu würdigen, rettete dies in Berlin,
München und anderswo gleichzeitige Bauwerke und Denkmäler vor der Zerstörung. Nach
dem 2. Weltkrieg begann in Frankreich eine Neueinschätzung der Zeit Louis Philippes
und Napoleons des III., die sich nicht nur in Büchern der Kunsthistoriker, sondern sehr
deutlich in den Angeboten der Antiquitätenläden in Paris zeigte. Dort fand man damals
schon Petroleumlampen, Plüschmöbel und Gerät aus der Mitte des 19. Jhs. Inzwischen hat
unter Minister Malraux das Stadtbild des 19. Jhs. in Paris seine glänzende Auferstehung
durch Renovierung und Restaurierung gefeiert. In Paris, Wien, Warschau, Moskau und Leningrad
setzt die Denkmalpflege große Summen für die Erhaltung der Bauten, Denkmäler und
sämtlicher Kunstwerke des 19. Jhs. ein. In Leningrad steht die gesamte Innenstadt unter
Denkmalschutz. In Köln ist man im Begriff, die Stübben-Neustadt, einen Stadtteil der
„Gründerzeit" vom letzten Viertel des 19. Jhs., als Ganzes mit 2000 Häusern zu erhalten
und vor verfremdender Sanierung zu schützen. Vielen jungen Menschen sind schon solche
Häuser mit Stuckfassaden, schmiedeeisernen Balkongittern und hohen „altmodischen" Räumen
anziehender als die Betonbunker und Wohntürme, obwohl man meist bequemer und
praktischer in den modernen Neubauten wohnt.

Wie steht es mit solcher Kunst des 19. Jhs. in Freiburg? Wo haben wir in unserer Stadt
Bauten und Werke dieser Zeit? Was geschieht damit?

Mehrfach kann man heute schon aus dem Mund von Architekten (u.a. am 30. 1. 1973
von Dipl.-Ing. Mohl bei der Aussprache über die Neubauten in Freiburg) das Lob der alten
zerbombten Häuser der Kaiserstraße vor 1945 hören. Weder von diesen „interessanten"
Fassaden, noch von den gleichzeitigen Bauten der ehemaligen Friedrichstraße oder des
„Institutsviertels" ist im Bereich der Innenstadt ein zusammenhängender Straßenraum
erhalten. Nur die Villen der Wintererstraße, Mozartstraße, Stadtstraße und Herderns und
der Bereich der Habsburgerstraße bis zur Eisenbahnlinie haben noch etwas von ihrem
Charakter bewahrt. Wohl sind die Wohnungen veraltet, vernachlässigt und viele Häuser
ungepflegt, aber andere sind durch gute Renovierung innen sehr wohnlich und außen gut
erneuert, ohne daß sie ihren Charakter verloren haben.

Anders ist es südlich des Bertholdsbrunnens. Dort stehen am Martinstor noch Bauten der
„belle epoque" und bis 1971 war vor dem Martinstor der Zusammenhang der Bauten vom
Ende des 19. Jhs. und Anfang des 20. Jhs. noch unverändert. Häuser wie „Oberpaur" und
das Eckhaus an der Belfortstraße, vor allem das außerordentlich interessant gebaute Eckhaus
Gerberau-Fischerau (Gummi-Fuchs) und die Gebäude an der Kaiserstraße vom Tor
bis zum Holzmarktplatz und Notariat einerseits und zum Friedrichsbau andererseits bilden
ein zusammengehörendes und sich ergänzendes Ensemble der monumentalen Architektur
vor und nach 1900 mit historischem Fassadendekor — damals hochmodernen Ladenanlagen
und technischen Einbauten. In ihnen zeigt sich nicht nur „Kapitalismus" und „Prunkbau"
der Gründerzeit, sondern Historismus als große geistige Bewegung und zugleich seine Verbindung
zu neuen technischen Strukturen der Architektur. In ihnen spiegelt sich auch ein
Stück Stadtgeschichte unter der fortschrittlichen Führung des bedeutenden Oberbürgermeisters
Winterer, in der die Stadt aus kleinbürgerlicher Biedermeierei herauswuchs. Damals
entstanden die ersten Fabriken und die ersten Villen am Schloßberg, an der Goethestraße
und wurden die „Ober- und Unterwiehre" ausgebaut. Nicht alle Häuser dieser Stadtviertel
sind als einzelne wert so erhalten zu werden, wie sie waren, mit Fassaden, Treppen-

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