Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 2651
Arbeitsgemeinschaft Freiburger Stadtbild [Hrsg.]
Freiburger Stadtbild (1974): Aufsätze - Vorschläge - Berichte
1974
Seite: 23
(PDF, 13 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/fr_stadtbild_1974-03/0023
— Wie schnell wäre z. B. der verzweifelten Zimmersuche von Studenten abgeholfen, wenn
in den Altwohngebieten der Dachboden entsprechend ausgebaut würde. — Das Zimmerproblem
wäre gelöst und der Student wäre gleichzeitig integriert in die Gesamtbevölkerung
.

— Ebenso ist es nur ein kleiner gestalterischer Trick, die teilweise düsteren Straßenzüge von
Altwohngebieten wieder im Glanz erstehen zu lassen, wenn z. B. die häufig vorkommenden
Klinkerfassaden mit Dampfstrahl bearbeitet würden. Hier kann wieder freundliche
Umgebung mit wenig Aufwand bewerkstelligt werden.

Hinzu kommt bei sogenannten bürgerlichen Wohnquartieren folgender Aspekt:

Ehemalige Bürger- und sogenannte Herrschaftshäuser sind im Wandel der Zeit als ein steingewordenes
Attribut von Wohlhabenheit und Repräsentation von ihren ursprünglichen
Erbauern oder deren Nachfahren aufgegeben worden; sei es, weil man ein anderes Domizil
gefunden hat, sei es, weil eine allgemeine Umstrukturierung des betreffenden Wohngebietes
(Ausdehnung des Zentrums) stattgefunden hat und man sich nicht mehr heimisch fühlt, oder
ganz einfach durch den Tod des bisherigen Besitzers.

Bemerkenswert ist der Umstand, daß solche Wohngebiete so gut wie nie für untere soziale
Schichten erschließbar waren. Gemeint sind vor allem kinderreiche Familien, die in diesen
großen Wohnungen ein ideales Platzangebot vorfänden.

Schuld daran sind:

— Keine materielle Rendite (aus der Miete).

— Psychologisch bedingte Vorurteile (Klassendenken).

— Spekulationsobjekt und die damit verbundene Gewinnchance, vor allem durch den häufig
vorhandenen großen Grundbesitz, um das Bauobjekt.

Offen bleiben würde nach wie vor die Frage, ob solcherart umfunktionierte Wohngebiete für
sozial niedrig Gestellte sinnvoll wären, da ihr bisher eingezwängter Lebensstil sich nicht
ohne weiteres übertragen läßt. Es ist eine ganz andere Frage, die es abzuklären gilt: Wieweit
dieses Wohngebaren und deren atmosphärische Bedingungen als erstrebenswert oder gar
richtungsweisend anzusehen sind. Der verwendete materielle Aufwand allein garantiert nicht
die Richtigkeit von Wohnraum und Wohngebaren.

Die Kriterien hierfür gilt es quer durch alle Schichten hinweg neu zu begründen. Die Wohnung
als der intimste Raum des Menschen, ist in ihrer flächenhaften und räumlichen Ausgestaltung
im Dienste der Menschenwürde, der Selbstverwirklichung des Menschen zu stellen.

Dies ist ganz gewiß keine materielle Frage, sondern höchstenfalls eine Überwindungsangelegenheit
, inwieweit man die aus dem bisherigen matriellen Abhängigkeitskarusell
„Statusverpflichtungen" aufzukünden weiß.

Etwaige Befürchtungen einer drohenden Uniformität sind Scheingefechte derer, die nicht
wahrhaben wollen, wie uniform sie selbst sind.

Wie wir alle wissen, liegt in der Einfachheit der Lebensweise, der materiell gesetzten Ansprüche
, unsere eigentliche Chance zur Freiheit und Selbstverwirklichung.

Bürgerinitiativen aus soziaistruktureller Sicht

Werden im allgemeinen die vermehrten Aktivitäten von Bürgerinitiativen als Bereicherung des
Demokratieverständnisses gewertet, so kommt man nicht umhin festzustellen, daß hier mit
spontaner Bürgeraktion nicht gemeint sein darf, daß nun quer über alle Schichten ein breites
Bürgerforum als gemeinsame Plattform gefunden sei. Der Schein trügt.

Zwar kommt es bei einem jedermann berührenden Problem eines Wohngebietes zu gemeinsamen
Aktionen, doch diese erfolgen aus den unterschiedlichsten Intentionen.

— Jede Gruppe innerhalb der Bürgerinitiative arbeitet dabei aus ihren spezifischen Interessen
— Sind diese erreicht, ist es mit den Gemeinsamkeiten nicht selten vorbei.

— Die gemeinsamen Aktionen hören oft schon an den Quartiergrenzen auf. Ursache ist das
auf der sozialen Unterschiedlichkeit basierende Desinteresse für die Belange der anderen.

So ist kaum zu erwarten, daß wenn in einem gutsituierten Wohngebiet Bäume von gewinnsüchtigen
Baulöwen skrupellos abgeholzt werden, die Bewohner einer typischen Industriesiedlung
am anderen Ende der Stadt sich geneigt sehen, sich dagegen mit der ortsansässigen
Bürgerinitiative zum Schutz der Bäume zu solidarisieren, gibt es doch bei ihnen weit und
breit keinen Baum. Das Gespür für deren Erhaltung ist somit abhanden gekommen. So wird
auch hier deutlich, wie die sozialstrukturelle Bedingtheit tief in alle anderen Bereiche hineinreicht
. Sie stellt ein abhängige Größe dar für das Kritikvermögen, die Deutlichmachung der
eigenen Interessen, das Durchsetzungsvermögen im Konfliktsfall, usw.

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