Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 2651
Arbeitsgemeinschaft Freiburger Stadtbild [Hrsg.]
Freiburger Stadtbild (1974): Aufsätze - Vorschläge - Berichte
1974
Seite: 45
(PDF, 13 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/fr_stadtbild_1974-03/0045
Oberstudienrat Dipl.-Chem. W. Gerhard Kramer:

Nicht immer wird die Not zur Tugend!

Die ASS — eine städtebauerische Fehlleistung.

Die alte Strecke der im Jahre 1885 erbauten Höllentalbahn im südöstlichen Gebiet der
Stadt Freiburg verlief ehemals vom Abschnitt Waldsee aus parallel zur heutigen Andlaw-
straße und führte dann in westlicher Richtung in die Urachstraße zum „Alten Wiehrebahnhof
". Von dort zog sie sich zwischen der Maximilian- und Lorettostraße hindurch, überquerte
diese westlich der Goethestraße und stieß in nördlich verlaufendem Bogen über die Baslerstraße
hinweg in das Gelände des Hauptbahnhofes (Postbahnhofs) hinein. Die Bahnlinie
trennte dadurch das Gebiet der mittleren und unteren Wiehre in zwei Teile, ähnlich, wie
noch heute die Bahnstrecke Basel—Frankfurt eine Grenze zwischen die ältere und die neuere
Stadt Freiburg legt, so daß heute die Zusammenführung städtischer und verkehrlicher
Funktionen über diese Grenze hinweg größte Sorgen bereitet. Im Jahr 1934 verlegte man
deshalb die alte Trasse der Höllentalbahn nach Süden, wo sie durch Untertunnelung der
Sternwaldspitze und des Lorettoberges so geschickt geführt ist, daß weder der Zugang
der Bevölkerung zum Sternwaldgebiet, noch die Verbindung der Stadt nach Günterstal und
Merzhausen beeinträchtigt wird. Der alte Bahnhof und zwei Bahnwärterhäuschen blieben
stehen, die Wiehre verwuchs in sich und die Verflechtung zwischen Geschäfts- und Wohnvierteln
schloß den Stadtteil in lebendiger Funktion zusammen.

Dann kam in den 50er Jahren der sprunghafte Anstieg des Kraftfahrverkehrs. Und nun zeigte
es sich, daß Städtebau und Verkehrsplanung zwei verschiedene Dinge sind.

Anstatt sich an Vorbildern verkehrlich fortgeschrittener Staaten oder Städte zu orientieren,
glaubten die Planer der 50er Jahre, alle Ausfallstraßen auf die Innere Stadt konzentrieren
zu müssen. Man plante den jetzt vo'endetcn Zubringer Mitte zur Autobahn, der direkt
auf die Kronenbrücke zuführt. Deshalb stand damals zur Diskussion — erstes Verkehrsgutachten
von Prof. Feuchtinger — ob die Dreisam als große Ost-West-Durchgangsstraße,
die den Stadtkern direkt berührt, als autobahnartige Straße teilweise oder ganz überbaut
werden soll. Der Plan stieß auf erheblichen Widerstand in Bürgerschaft und Stadtrat, und so
verfiel man auf die einfache, weil naheliegende Idee, den Autobahnzubringer-Mitte am westlichen
Stadteingang in Haslach zu teilen. Um die Dreisamuferstraße zu entlasten, sollte in
einer südlich verlaufenden Linie die alte Trasse der Höllentalbahn — zunächst als zweispurige
- Autoschnellstraße (ASS) herangezogen werden.

Man erkannte damals nicht, in welch schwerwiegender Weise solche Verkehrsschneisen in
gewachsenen Stadtvierteln Grenzen errichten und Funktionen stören. Der jetzt fast vollendete
Ausbau der Dreisamuferstraße hat eine spürbare Abtrennung des Stadtteils Wiehre
von der Innenstadt zur Folge gehabt. Die Dreisamuferstraße ist nun die direkte Fortsetzung
des ebenfalls fast vollendeten Zubringers Mitte, nicht aufnahmefähig und nicht leistungsfähig
genug. Und als man um die Mitte der 60er Jahre neue Verkehrszählungen durchgeführt
hatte, ergab die Prognose für das Jahr 1985 einen solchen Anfall von Verkehr,
daß die geplante ASS zur vierspurigen autobahnähnlichen Straße wurde. So zog der erste
Fehler wie von selbst den zweiten nach sich, und es hilft wenig, daß sie in der Art eines
Canale grande teilweise tief gelegt werden soll. Auf diesem vorgegebenen Straßenplan
erstellte man ein neues Gutachten, das die Grundlage für den Generalverkehrsplan der
Stadt (GVP) bildet. Dieser weist die vierspurige ASS als wichtigen und unumgänglichen
Bestandteil des künftigen Verkehrsnetzes aus. Doch tut man dem Gutachter unrecht, wenn
man ihm die Schuld für diese Planung zuschiebt. Er hat lediglich den vorgegebenen Straßenplan
(Netzplan) geprüft und aufgrund seiner Rechnungen die Dimensionierung der Straßen
festgelegt.

Anstelle einer einspurigen Eisenbahn, deren Trassen z.T. in enger Nachbarschaft von
Gebäuden und Wohnungen vorüberführt und an manchen Stellen nicht mehr als 8 m breit
ist, soll eine bis zu 30 m breite Autobahn entstehen, die mit drei nahe beieinanderliegenden
Auf- und Abfahrten — Baslerstraße, Günterstalstraße, Dreikönigs- oder Hildastraße — bestückt
ist. Am Zahlenwerk des GVP läßt sich kaum rütteln, denn das Ergebnis einer Rechnung
stimmt mit den vorgegebenen Voraussetzungen stets überein. Es fehlt jedoch ein
Beweis dafür, ob die vorgegebenen Voraussetzungen, nämlich das Straßennetz, richtig
sind. Und hier begannen die Kontroversen zwischen Planern und Bürgerschaft.

Die für diese Trasse der ASS für das Jahr 1985 prognostizierte Frequenz von mehr als
60 000 Kfz täglich, von denen 90% Ziel und Quelle in der Wiehre haben sollen, erscheint

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