Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 2651
Arbeitsgemeinschaft Freiburger Stadtbild [Hrsg.]
Freiburger Stadtbild (1974): Aufsätze - Vorschläge - Berichte
1974
Seite: 55
(PDF, 13 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/fr_stadtbild_1974-03/0055
Krieges 1870/71 nicht mehr zu unserer Vergangenheit? Vielleicht, weil sie 50 Jahre früher
diese Erde zwangsweise verlassen mußten, als die Toten der Weltkriege?

Wir glauben, daß hier falsch verstandene Fortschrittsgläubigkeit und ein verkrampfter Bezug
zu unserer Geschichte die negative Reaktionen ausgelöst haben. Daher veröffentlichen wir
den Text der bei der Einweihung gehaltenen Ansprachen. Mögen sie dazu dienen, daß bei
künftigen, ähnlichen Anlässen, Bürgervereinigungen, die sich der Geschichte einer Stadt
verpflichtet fühlen, und damit den Menschen, die in ihr Leben, nicht in Mißkredit gebracht
werden. Daß die Bevölkerung die Dinge richtig sah, bewies ihre große Teilnahme.

Gleichzeitig ehren wir mit der Drucklegung Generalmajor a. D. Max Sachsenheimer, der
unsere Tätigkeit wirkungsvoll unterstützte und 1973 überraschend abberufen wurde.

Walter Vetter

„Die Gedenkstätte an den Krieg 1870/71 auf dem Alten Friedhof"

Ansprache des Vorsitzenden der „Arbeitsgemeinschaft Freiburger Stadtbild", Walter Vetter,
am 10. Dezember 1972

Die „Arge Stadtbild" hat zu dieser kleinen Feier eingeladen, weil wir die Gedenktafeln nicht
einfach aufstellen lassen wollten, weil wir glaubten, daß dazu etwas zu sagen ist. Daß diese
Meinung richtig war, beweist die Überschrift in der „BZ" vom Freitag, die da lautete:
„Militärisches Schauspiel". Noch weniger passend unterstellte man einen Tag später, am
gestrigen 9,. Dezember, eine verspätete Siegesfeier und sprach von dem Wissen aus Geschichtsbüchern
. Gerade weil „man" nur durch die Geschichtsbücher etwas weis, wollten wir
den sichtbaren Bezug zu diesem Kapitel Zeitgeschichte wieder herstellen und wir halten
die Art, wie dies hier geschieht, nicht für unbescheiden. Unsere Beweggründe für die Erweiterung
dieser Gedenkstätte sind seit drei Jahren bekannt. Im Januar 1971 konnte man über
sie einen sachlichen Bericht im „Freiburger Wochenbericht" lesen. Es ist daher absurd, hier
Siegesgelüste zu unterstellen. Oftmals ist man geneigt anzunehmen, daß der Wille, Fehlinterpretationen
zu vermeiden, recht klein ist.

Denjenigen, die mit uns guten Willens diese Gedenkstätte einrichteten, sei zum Trost Alfred
Nobel zitiert: „Es gibt nichts auf der Welt, was man nicht mißverstehen oder mißbrauchen
kann". Und noch ein Zitat, um unsere Beweggründe aus berufenem Munde zu verdeutlichen;
einen Satz aus der Rede von Willy Brandt am 11. Dezember 1971 in Oslo: „Europäische
Friedenspolitik lebt aus dem Geist der Geschichte. Dies klammert die dunkelsten Jahre nicht
aus, sondern bezieht sie ausdrücklich ein". Geschichte muß erlebbar bleiben, um verstanden
zu werden. Diesem Bezug dient auch diese kleine Gedenkstätte. Gerade deshalb kann diese
Gedenkstunde kein „militärisches Schauspiel" sein.

Der Mensch, iin diesem speziellen Fall der tote Soldat — doch wohl auch ein Mensch — soll
hier im Mittelpunkt des Erinnerns stehen. Das Mahnmal, die Mahnfunktion, wenn Sie so
wollen, war es, die unsere Überlegungen leiteten. Für ein militärisches Schauspiel hätte man
wohl kaum einen alten Friedhof wählen können. Hier ist doch wohl kein militärischer
Glanz, sondern nur menschliche Vergänglichkeit. Eine Vergänglichkeit, die besonders
schmerzlich und bedrohlich die Gefallenen zu spüren bekamen.

Sie waren Menschen wie wir, die wir hier versammelt sind; Menschen voller Hoffnungen
und Sehnsüchten, die sich nicht erfüllen konnten. Daran sollten wir denken, denn diese
Toten rufen nicht zu neuen Heldentaten, sondern mahnen zu einem sinnvolleren, zu einem
friedlichen Leben. Kriegstote, die nach internationaler Norm ein dauerndes Ruherecht haben,
sollten auch in unserer Mitte, im Stadtbild, unvergessen bleiben. Auch „Militaria" ist ein
Teil unserer Geschichte und es erscheint an der Zeit, wieder einen unverkrampften Bezug
zu ihr zu finden.

Lassen Sie mich noch etwas zur Geschichte der Tafeln sagen und dazu, weshalb wir
gerade diesen Platz auf dem „Alten Friedhof" wählten und Dank des Verständnisses der
Stadt Freiburg auch wählen konnten. Obwohl im Vergleich zu den beiden folgenden Weltkriegen
der deutsch-französische Krieg von 1870/71 manchen als Episode erscheint, verdient
er es doch, im Bewußtsein zu bleiben. Erhaltene Denkmäler dieser
Zeit müssen unabhängig von ihrem kunstgeschichtlichen Wert im Sinne ihrer Mahnfunktion
bestehen bleiben. Hinzu kommt, daß die Geschichte Freiburgs und Badens besonders
eng mit unserem Nachbarland Frankreich verknüpft war und ist. Die aus Erz gegossenen
Platten waren bis 1950 an den Umfassungssäulen des Lanzengitters der ehem.
Karlskaserne, der heutigen Oberpostdirektion, angebracht. Sie wurden 1874 zur Erinnerung
an die Gefallenen des 5. Bad. Infanterieregimentes geschaffen. Inschriften und Embleme
zeigen den Stil des „Strengen Historismus", dem die Kunstwissenschaft seit einigen Jahren
ein besonderes und positives Interesse entgegenbringt; ähnlich der Wiederentdeckung des

55


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/fr_stadtbild_1974-03/0055