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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1949-02/0002
DIE MARKGRAFSCHAFT

Nr. 2 /1. Jahrgang Heimatpost der Hebelfreunde Müllheim i, B,

Oktober 1949

Es gab einige bedenkliche Gesichter, als der
Leiter der Arbeitsgemeinschaft Schwarzwälder
Volksleben zum ersten Mal beim Hebelbund über
die Neubelebung des Trachtenwesens sprach und
dabei anregte, auch in Müllheim ein Trachten-
treffen durchzuführen. Die Bedenken waren in
verschiedener Hinsicht nicht ganz unbegründet.
Es sind nicht mehr sehr viele Frauen und Mädchen
, die im Markgräfler-
land die schöne alte Tracht
noch tragen und sie vor
allem noch als etwas zu
ihnen Gehörendes empfinden
. Gewiß werden manche
Anlässe und Feierlichkeiten
zum Anlaß genommen,
die Trachtenkleider wieder
aus dem hintersten Winkel
des Kleiderschrankes hervorzuholen
, aus der Mottenkiste
sozusagen, um damit
eine festliche Maske- '
rade aufzuziehen. An einer
solchen Maskerade war man ,\
aber nicht interessiert. Man
wollte keine Fasnet aufziehen
, kein Theater, mit
Dingen, womit man nicht
auf die Bühne soll, um sich
dafür Beifall zu holen und
um sie nachher wieder wie
etwas Lästiges abzulegen.
Aber Dr. Mötsch, der um

die echte Volkstracht bereits große Verdienste
erworben hat, konnte diese Bedenken zerstreuen.
Man hat in Kreisen seiner Arbeitsgemeinschaft
die Gründe des Aussterbens der Tracht sehr wohl
erkannt, als man ihre Geschichte studierte. Diese
nämlich weist uns zunächst einen großen Irrtum
nach. Wir glauben, daß unsere heutigen Trachten
schon sehr alt wären, daß sie eigentlich immer so
ausgesehen hätten und an ihrer ursprünglichen
Form keine Änderung vorgegangen sei. Das ist
nicht der Fall. Die Tracht hat sich, wenn natürlich
auch nicht so oft wie die Pariser oder Wiener
Mode, immer wieder geändert. Sie hat sich lebendig
fortentwickelt und zwar mit einem Geschmack,
den man den heutigen Modeschöpfern gerne wünschen
würde, weil dann unsere Frauen zweifellos
besser angezogen wären. Erst als man diesen natürlichen
Geschmack verloren hatte — es ist bezeichnend
, daß das mit der Zeit des aufkommenden
materialistischen Denkens zusammenfällt —,
erst als man keine neuen Formen mehr erfand,
die wie früher begeistert aufgenommen wurden,
veraltete die Tracht und begann wie alles Alte
abzusterben. Die Markgräfler Tracht erreichte im

18. Jahrhundert ihre schönste Form und vollendete
Eigenart. Mit dem Beginn des 19: Jahrhunderts
aber gewannen Einflüsse der Stadt bei den
Trachtennäherinnen immer mehr Einfluß; die
prächtigen Farben, früher mit einem ursprünglichen
Farbgefühl ausgewählt, verschwanden nach
und nach. Es wurden gedecktere Farben genäht,
das Mieder machte einem seidenen oder samtenen

Markgräflerinnen aus dem Weinort Laufen

Fransentuch Platz. Der Biedermeierstil der Stadt
wurde vom Landvolk übernommen. Niedergang
und Stillstand waren die Folge. Wenn man nun
also heute in der Erkenntnis, 'daß wir Gefahr
laufen, mehr und mehr von einer uns wesensfernen
Welt überfremdet zu werden, sich auf die
starken Werte unseres Volkstums besinnen will,
wird man nicht versäumen dürfen, gerade auch
der Tracht als Zeichen einer ganz bestimmten
Haltung und eines ganz bestimmten in sich ruhenden
Selbstbewußtseins seine Aufmerksamkeit
zuzuwenden. Es wird dann so gehen, wie mit so
vielen Dingen: was einmal interessiert, wird auch
interessant. Man wird erkennen, daß gerade für
ursprüngliche Schöpfertalente hier ein Gebiet ist,
wo sich neue Impulse, gute Einfälle und unverfälschter
Geschmack zu einer Leistung zusammenschließen
können, die die Anerkennung eines
vielleicht unerwartet großen Kreises findet.

Es ist der Arbeitsgemeinschaft Schwarzwälder
Volksleben zu danken, daß sie durch Veranstaltungen
von Trachtentreffen wesentlich mithilft,
dem Trachtentragen Beachtung zu verschaffen.


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