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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1951-09/0006
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Die Markgrafschaft

Erinnerungen an Hans Thoma / von h. a. Bühler

Was war das für eine künstlerisch hohe Zeit
um die Jahrhundertwende in Karlsruhe! Die
Lehrerschaft, die an der Akademie versammelt
war, schloß, seitdem Trübner und Thoma am
grünen Tisch der Akademiebibliothek im Lehrerkollegium
Platz genommen hatten, die wertvollsten
Kräfte der Deutschen Kunst jener Tage in
sich. Es saßen dort: die Maler Keller, Schönleber,
Dill, Weißhaupt, Fehr, Schmidt-Reuthe, Schürt,
Ritter, Conz, der Bildhauer Volz, als Fachlehrer
für Lithographie gehörte Langhein dem Lehrerkollegium
an, hinzu zählte der Architekt Billing
und der feine Anatomielehrer Dr. Dreßler. Eben
waren Kalkreuth, Grethe und Pötzelberger nach
Stuttgart ausgezogen, weil die Gegensätze zwischen
den „Richtungen" nicht ausgeglichen werden
konnten und die Wogen der geistigen Auseinandersetzungen
gingen in der Karlsruher
Künstlerschaft hoch; in einer Künstlerschaft, die
auch außerhalb der Akademie eine ganze Reihe
starker Persönlichkeiten aufwies. Ich nenne nur
die Landschaftsmaler Kallmorgen, Kampmann
und Hein, die im nahen Grötzingen ihren Studienplatz
hatten. Es waren da weiterhin die Brüder
Roman mit Frau Max Roman und der Maler
Kemmer von der Malerinnenschule und jeder
hatte wieder einen großen Anhang von Schülern
und Schülerinnen um sich.

All dieses Leben wurde angezogen und mehr
oder minder betreut von einem der feinsinnigsten
und volksnahesten deutschen Höfe und über
diesem Kunstleben stand wie ein heimlicher *
König Hans Thoma.

Er, der in seiner Art und seinem Wesen Bescheidenste
, stand in dieser vielbewegten Welt in
unausgesprochener Achtung Aller über dem vielverzweigten
Parteiengetriebe. Es hat an stiller
Gegensätzlichkeit und Feindschaft freilich nicht
gefehlt. Diese wurde aber an der Oberfläche nicht
sichtbar. Es konnte nicht ausbleiben, daß der Hof,
daß die lebendige, alles überragende Großherzogin
Luise den Meister besonders zu sich heranzog
und ihn in entscheidenden künstlerischen Fragen
zum wirklichen Rat nahm.

Wie gewissenhaft Hans Thoma diese Sonderstellung
selber wahrnahm, konnte ich sehen, als
ich ihn eines Tages über der Fertigung eines
Schriftstückes antraf. Er bat mich, ich möge mich
eine Weile gedulden, er sei zur Großherzogin
gebeten und da lege er sich vorher möglichst
alles schriftlich fest, was dort wahrscheinlich zur
Sprache käme. Es waren nicht nur engere Akademiefragen
, sondern auch solche der Hofbühne,
besonders der großen Oper, die in jener Zeit in
Karlsruhe unter dem Intendanten Bürklin und
dem Hofkapellmeister Mottel ebenfalls auf höchster
Höhe standen und bei denen Thoma durch
seine nahen Beziehungen zu Bayreuth und seiner
Freundschaft zu Frau Cosima Wagner und Henry
Thode besonders berufen galt. Er stand so im
Mittelpunkt einer bedeutenden Welt, die weit
über Karlsruhe hinaus eine starke Wirkung ausstrahlte
und es war selbstverständlich, daß er

nach seiner Berufung als Galeriedirektor und
Akademieprofessor einen großen Kreis von Schülern
um sich versammelte. Es war die Auslese
der jungen Künstlerschaft. Dem Kreis entwuchsen
Persönlichkeiten wie Emil Rudolf Weiß, Karl
Hofer, Albert Haueisen, Freiholt und andere.

Ich selbst, damals noch Malschüler bei Fehr,
hatte den brennenden Wunsch, in die Meisterschule
Thomas aufgenommen zu werden. Nach
einem Festabend im Künstlerverein, an dem
Thoma sehr gefeiert wurde und auch ganz gegen
seine Gewohnheit eine kurze Rede hielt, nahm
ich mir ein Herz und eine Mappe mit Malproben
und Zeichnungen und stieg damit ins Thoma-

Zu seinem 70. Geburtstag dankte Hans Thoma
mit den Versen:

,,0 Erde, nur noch einen letzten Blick,
Du willst das Aug7, das Du geliehen, wieder.
Ich hab' es nicht verdorben, etwas müd' nur
sind die Lider,

Es war ein gutes Augenpaar, ich geb' es Dir
mit Dank zurück!"

*

Zu seinem 80. Geburtstag dankte er mit einer
reizenden handgezeichneten Vignette:

„Es kommen mir jetzt so viele Zeichen der
Liebe entgegen, daß ich oft recht in Verlegenheit
gerate, wie ich dafür danken soll. Denn der Abend*
ist bei mir da und ich kann nur noch rufen: Dank
dir, Tag, Dank dir, Feierabendglühen! Ich gehe
nun zur Ruhe!"

Atelier hinter der Galerie. Still schaute der Meister
die Sachen an und sagte dann: „Machen Sie
eine Eingabe ans Lehrerkollegium und ich will
in der nächsten Sitzung Ihre Aufnahme in meine
Meisterabteilung befürworten". Mit diesem gütigen
Zuspruch war alles gewonnen. Von da ab
war mein Studium an der Akademie ein glückliches
und gesegnetes. Mit der Zeit wurde mir
der Meister mehr als nur Lehrer. Mehr als seine
Besuche in meinem Atelier waren mir meine
Besuche bei ihm in seiner Werkstatt, und er hat
mir manche Stunde seiner kostbaren Zeit geopfert
und mir geholfen und Wege geebnet, die
weit abseits seiner Lehrerpflichten gingen.

Es wurde ihm nicht immer gedankt, und es
war für ihn eine große schmerzliche Enttäuschung
, als die meisten seiner älteren Schüler ihn
verließen und nach Stuttgart zu Kalkreuth
gingen!

Dafür wurde mein eigenes Verhältnis zu ihm
immer enger, und nicht nur zu ihm, auch mit
seiner Schwester Agathe sind meine Frau und ich
gute Freunde geworden und ebenso mit seinem
alten Freund Dr. Beringer in Mannheim und mit
Frau Sofie Bergman-Küchler in Frankfurt. Wir
wurden ein vertrauter Kreis, der noch heute zu-


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