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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1953-07/0004
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Die Markgrafschaft

Die Heimat des Malerpoeten Hans Thoma

Es ist in diesen Blättern wiederholt und unter
verschiedenen Gesichtspunkten dargelegt worden,
wie sehr Johann Peter Hebels poetische Begabung
im Heimatboden wurzelte und wie befruchtend
die Landschaft zwischen Basel und Blauen
mit den vertrauten Menschen in Hebels Dichtung
wirkte. Dies ist ein Thema, das sich in der Tat
kaum erschöpfen läßt. Denn: begegnet der Oberländer
, der seine Heimat kennt, nicht auf Schritt
und Tritt Hebels Geist, seiner freundlichen
Heiterkeit und Liebe zu den Dingen, die wir
schätzen? Ist es nicht so, daß wir die Landschaft
zwischen Hertingen und Tannenkirch, zwischen
Basel und Brombach und zwischen Kandern und
Bürgeln durch seine Verse auf eine bedeutendere
Weise kennen, daß wir zu jedem Baum, zu jedem
Hügel und zu jedem Dörflein ,,Guter Freund"
sagen möchten?

Etwas ähnliches geschieht uns bei einem
anderen Sohn unserer Heimat, der auch als armes
Wälderbüblein hinauszog und ein großer Direktor
und Professor wurde, der aber auch, wie
Hebel, zeit seines Lebens das in die Welt staunende
, schlichte Wälderbüblein blieb. Wir meinen
den alemannischen Malerpoeten Hans Thoma,
dessen innere Beziehung zu Hebel im übrigen
einer besonderen Untersuchung wert wäre. Auf
seine kleine Bernauer Welt, in der sich seine
Malkunst am glücklichsten vollendete und die er
wie kein zweiter in einer demütigen Liebe! künstlerisch
übersetzte, wollen wir hier einen Blick
werfen.

Hans Thoma wurde am 2. Oktober 1839 in
Bernau in einem jener Bauernhäuser geboren,
die mit ihrem tief herabhängenden, breiten
Schindeldach, mit ihrer braunen Holztäfelung im
Innern, mit ihren vielen kleinen Fenstern, unbewußt
stilvoll in die Landschaft eingefaßt^ heimelige
Wärme ausstrahlen. Sein Vater, eigentlich
Müller, arbeitete in der Holzindustrie. Er war
nicht mit reichen Gütern gesegnet, Franz Joseph

Zeitrechnung

Ära bedeutet die Zählung der Jahre nach
Eintritt eines bestimmten geschichtlichen Ereignisses
. Die Griechen rechneten nach Olympiaden;
die Römer nach den jeweiligen Konsuln, später
(seit Augustus) nach Jahren seit Gründung der
Stadt Rom. Bei den Christen des Abendlandes
brachte der römische Abt Dionysius die Rechnung
nach Jahren seit der Menschwerdung
Christi 532 erstmals in Anwendung. Achtzig Jahre
später wandte Papst Bonifaz IV. diese Zeitrechnung
an, aber es ging noch Jahrhunderte, bis sie
allgemein verwendet wurde. Im Anhang des
Buches ,,Kirchen am Rhein" finden wir eine
Reihe Urkunden. Erst die Urkunde 5, in welcher
Kaiser Karl dem Kloster St. Gallen die Immunität
bestätigt, hat als Datum ,,anno incarnationis
Domini DCCCLXXXVII" also 887, aber noch mit
dem Zusatz „anno vero regni domini Karoli Villi,
imperii autem VII." A. E.

Thoma blieb zeitlebens ein Müller ohne Mühle.
Wenn Thomas Vater auch nicht der Erbträger
der Kunstbegabung seines Sohnes war, sondern
vielmehr seine Mutter, so scheint Franz Joseph
Thoma doch die frühen Kunstregungen seines
Sohnes mit Wohlwollen begünstigt zu haben.
Voller Freude zeigte er seinen Nachbarn die
Nachzeichnung des „Hündlibub" aus der Spielkarte
, die der fünfjährige Hans Thoma ihm zu
seinem Geburtstag schenkte. Offensichtlich aber
stammt die künstlerische Begabung Hans Thomas
von mütterlicher Seite. „Der Trieb zur Kunst",
so schreibt Hans Thoma, „der in dem einsamen
Bernau über mich kam, und zwar so stark, daß
er mich mein Lebtag nicht mehr verlassen, hat,
war doch angeerbt. Der Großvater und auch die
Brüder mütterlicherseits waren Uhrenmacher;
einer derselben war Uhrenschildmaler und in
ihm lebte noch ein Rest einer nun verschunde-
nen Bauernkunst". Seine Mutter war eine innerlich
reiche Frau von echter, tiefer Religiosität.
In hohem Maße ist die auf festem Gottvertrauen
aufgebaute Lebensanschauung der Mutter in
Hans Thomas Leben und Werk sichtbar und ins
Künstlerische gesteigert worden. Mit Freude
nahm sie an dem ersten Schiefertafelgekritzel
ihres Buben teil, mit Aufopferung und rastloser
Arbeit suchte sie, die bald Witwe geworden war
und fortan mit ihrer Tochter Agathe allein im
Hause blieb, ihrem Buben die äußerliche Freiheit
zu schaffen, die er für seine Ausbildung und
seinen späteren Werdegang brauchte. Hans Thoma
hat in zahlreichen Zeichnungen und Gemälden
die Züge dieser herben, gottesfürchtigen und
doch von innerer Freude erfüllten Frau gezeichnet
und gemalt. Ihre Lebensgrundsätze sind einfacher
Art. Ihren Kindern sagt sie früh, man
solle niemand lästig fallen; Armut schände nicht;
man solle Geliehenes pünktlich zurückbezahlen.
Als ihr Sohn Hans und die Tochter Agathe schon
längst in reifem Alter stehen, ermahnt sie die
großen Kinder in rührenden Briefen immer wieder
, gut zueinander zu sein, Gott zu vertrauen,
sparsam zu leben und auf die Gesundheit zu
achten.

Auf eine schöne Art ist Hans Thoma auch
durch sein ganzes Leben mit seiner jüngeren
Schwester Agathe verbunden. Agathe nimmt er
sich zum Vorbild jener Bauernmädchen, die er
anmutig und lebendig bei der oder jener Arbeit,
beim Nähen, beim Hühnerfüttern oder Bibellesen
darstellte. Agathe hat durch ihre stille, aber
durchaus nicht ungesellige Art später, als Hans
Thoma mit Cella Berteneder, einer begabten
Malerin, verheiratet war und sie ihm in Frankfurt
zusammen mit der Mutter den Haushalt
führte, dem Künstler jene Atmosphäre geschaffen
, die er zu seinem Werk brauchte. Als Hans
Thomas Mutter und später, am 23. November
1901, auch seine Frau wegstarben, ist Agathe,
die unverheiratet blieb, der gute Geist, der den
Bruder umsorgt und mit geschwisterlicher Liebe
umgibt. In einem seiner bedeutendsten Bilder


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