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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1954-03/0015
Die Markgrafschaft

13

beobachtete. Sheran ließ Tisch und Stühle kommen
und ein Spielbrett aus Elfenbein. Dann
forderte er Sessa auf mit ihm „Mühle" zu ziehen.
Das Spielglück war stets bei Sessa. Da sprang
der König verärgert auf und rief: „Du bist langweilig
, Sessa, das Spiel ist es auch und mein
ganzes Leben ödet mich an. Versuche doch mich
einmal wieder zu erfreuen, wie du es in meiner
Knabenzeit tatest. Denke dir ein neues Spiel aus
und ich will dich dafür königlich belohnen".
Dann kehrte er in den Palast zurück und rief
seine Zechkumpane.

^ Sessa blieb noch lange auf der Terrasse sitzen,
bis die Sterne verblichen und ein neues Tagewerk
begann. Dann schloß er sich in seinem Zimmer
ein und zeichnete eifrig. Erst am Abend verließ
er eilig das Schloß und suchte einen tüchtigen
Schnitzer auf, dem er die Pläne für ein neues
Spiel übergab und beauftragte Schachbrett und
Schachfiguren anzufertigen.

Nicht lange danach bat Sessa den König, ihm
das neue Spiel vorführen zu dürfen. Er zeigte
ihm das Schachbrett, stellte die Figuren auf und
erklärte die Spielregeln. König Sheran war entzückt
und ergötzte sich daran, ohne die Lehre
zunächst zu begreifen, die ihm Sessa durch die
tiefe Wahrheit erteilen wollte, die in dem Spifel
zutage trat. Dem König auf dem Schachbrett war
absichtlich nur begrenzte Macht verliehen. Er
war ohnmächtig, wurde er nicht von einer treuen
Königin umsorgt, von seinen Räten unterstützt,
von seiner Garde verteidigt und von seinen
Bauern erhalten und geliebt.

. In Sheran pulste die Freude am neuen Spielzeug
. Sogleich ließ er zu einem glanzvollen Fest
rüsten. Der Fußboden des Thronsaales wurde zu
einem riesigen Schachbrett eingeteilt. Die Hofgesellschaft
erhielt prächtige Kostüme, die den
Schachfiguren entsprachen, die sie darstellen
sollten. Auch König und Königin nahmen ihre
Plätze ein. Sessa aber und ein ihm befreundeter
Brjahmanen-Dichter waren die Spieler, deren
Weisungen sich die lebendigen Figuren unterwerfen
mußten.

Sheran erlebte als König im Schachspiel unmittelbar
, was ihm von Sessa als Lehre zugedacht
war und wurde sehr nachdenklich. Zwischen
Spiel und Ernst, Schachbrett und Staatspolitik
bestand kein allzugroßer Unterschied. Im Ernst
aber wollte er niemals den Ruf hören: Schach
dem König. Er erinnerte sich auch seines Versprechens
und forderte Sessa auf, seine Belohnung
selbst zu bestimmen und koste es auch ein
Vermögen.

Der Philosoph beobachtete hocherfreut die
Wirkung des Spiels auf den König und beschloß
ihm eine weitere zu erteilen, um ihn von dem
Laster unüberlegter Versprechungen zu heilen.
So» sagte er denn: „Das Schachbrett hat acht
Reihen, Majestät. Jede besitzt acht Felder, insgesamt
also sind 64 Felder vorhanden. Auf das
erste Feld gebt mir ein Weizenkorn, großmütiger
Herrscher, auf das zweite zwei, auf das dritte
vier und so fort, auf jedes Feld die doppelte
Anzahl Weizenkörner. Damit bin ich wohl befriedigt
".

Srauenredjt

Myseel, jetz goht's um 's Frauerecht!
Jetz simer nümmi 's schwächer Gschlecht,
wo still im Hus sy Arbet schafft.
Mer messe mit de Mannslüt d'Chraft.
Jetz wämer „des Gesetzes Schutz",
sin nümmi z'friede miteme Schmutz.

Uf d'Hälfti vom Verdienst vom Ma,

do wämer jetz e Arecht ha,

un wenn der Ma sy Pfiffli schmaucht,

halt d' Frau e Sigarettli raucht.

Un wenn der Ma der Wy gern trinkt,

d' Frau mit em Likörfläschli winkt.

Sogar bym Esse mueß er gnau
in d'Hälfti teile mit der Frau.
Bruucht er emol e neue Huet,
stöhn ihre gwiß zwee neui guet.
Doch wenn er amig schimpft un fluecht,
isch sie 'ss wo glii der Bese sueeht.

Jetz lacheter un glaubet's nit,

Jo, isch mer aiu nit ernst dermit.

I main halt, so seig's Frauerecht:

Sie nit sy IVtagd, er nit der Ghnecht;

si solle für enander stoh;

nit nebe-, mit-enander go.

's schönst Frauerecht, es blybt derby,
isch: Liebi gee un Muetter sy.
Un alli Tag e chlaini Freud
im andere ins Lebe g'streut.
E Lächle un e herzlich Wort
isch Frauerecht am rechten Ort.

Ida Preusch-Müller

Anfangs war der König entrüstet über eine
vermeintlich so kleinliche Forderung, glaubte er
doch zu ihrer Erfüllung genüge bereits ein Sack
voll Weizenkörner. Allein Sessa bestand auf seiner
Bitte und der Hofmarschall mußte sich
daran machen, die Anzahl der benötigten Weizenkörner
zu errechnen. Bald jedoch bat er verwirrt
um Hilfe, und erst als einige Gelehrte von
der Hohen Schule ins Schloß gerufen wurden,
gelang es ihren vereinten Kräften die Zahl anzugeben
, die über alle Vorstellungen hinaus in die
Drillionen ging. (Der geneigte Leser möge sie
genau ausrechnen.) Allen Anwesenden verschlug
es die Stimme, bis Sessa lächelnd erklärte, er
verzichte auf die Gewährung seiner Bitte, denn
zu ihrer Erfüllung wäre es nötig, daß rund
sechzig Jahre auf der gesamten Erdoberfläche
ein immer gleich hoher Weizenertrag - geerntet
werden könnte, wobei noch unterstellt werden
müßte, daß alles, Land, Gebirge, Meere, Gewässer
, Wälder und Wüsten ein fruchtbares Weizenfeld
sei.

Unter den lauten Jubelrufen der Hofgesellschaft
verneigte sich der König vor Sessa, streifte
einen wertvollen Rubinring von seinem Finger
und reichte ihn dem Philosophen mit den Worten
: „Schüler bleibt Schüler und Meister bleibt
Meister". Karl Heinrich v. Neubronner


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