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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1954-04/0016
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Die Markgrafschaft

Dort, wu er goldig us de Fässer winkt,

het er als spöter d' Zehntchnecht nimmi gschminkt.

Jä, seile Geist het sini Jeste gha!

Sin d'Buebe ebbe in si Stübli chu,

wie hängt er jedem nit si Zöpfli a,

as hat er's bim Perickemacher gnu.

Im Gsichtli git er ganz enander Bild,

me het fast gmeint, die halbi Schuel hät gschielt.

Un 's Büebli isch jetz bal en alte Mann,
doch denkt er froh no der vergangne Zyt.
Wie wechslet alles uf der ird'sche Bahn;

der Ein baut uf, — der Ander: nieder mit.
O, der Gedanke macht eim 's Herz so voll!
Trottstübli selig, nu leb jetz denn wohl!

Heute heißt es wieder: nieder mit. Zwar nicht
mit dem Trottstübli, aber mit dem Rathaus. Was
würde das Bäbele für Verse finden, wenn einmal
die alte Krone — soll ich ein bißchen
spötteln und sagen: das neue Haupt der Stadt
schmückt?

Jda Preusch-Müller

3lleö tft \\)m Untertan

Vor achtzig Jahren lebte in einem Markgräf-
ler Dorf ein Mann, der den einfältigen Menschen
vormachen konnte, daß er mehr verstehe als Brot
essen. Wegen seiner Schwindeleien war er bald
mehr berüchtigt als berühmt, und mit der Zeit
sahen ihm die Gendarmen und der Doktor und
Pfarrer des Orts schärfer auf die Finger als ihm
lieb war.

Man kannte ihn im ganzen Markgräflerland
und im gegenüberliegenden Elsaß. Er ging stets
im langen schwarzen Sonntagsrock, trug einen
hohen Zylinderhut und war mit einem spanischen
Rohr bewaffnet, wenn er gerufen wurde, um als
„Wunderdoktor" oder als „Hexenbanner" bei
Kranken, wegen verschwundenen Sachen oder
„verhextem Vieh" mit seinem Hokus-Pokus Abhilfe
zu schaffen.

Er war einer der größten Bauern des Dorfes,
hielt zwölf bis vierzehn Stück Vieh und besaß
gute Weinberge. Es hatte sich herumgesprochen,
daß, wer von ihm Vieh oder Wein kaufe — den
er sich oft in Zahlung geben ließ oder bei seinen
„Kunden" billig kaufte — verschont bleibe vor
Hexen und allem Mißgeschick. Ein Kräuterbüchlein
verschaffte er sich von seinem Schwiegervater
und verordnete die Tränklein von Heilpflanzen
, wie er sie für seine schwarze Kunst
brauchen konnte. Gute Nachbarn hetzte er auf
und bezeichnete Mann oder Frau der einen Familie
als Hexe oder Hexenmeister; er kam oft
wegen seiner Betrügereien vor das Gericht in
Müllheim oder Lörrach. Da aber seine „Patienten
" aus Furcht vor ihm dicht hielten, mußte er
meistens frei gesprochen werden.

Ein Spottvers auf ihn begann: Hexen, Gespenster
, Krämpfe, Fieber — alles ist ihm Untertan
. Die Auggener Burschen verstanden keinen
Spaß, und als er ein strammes Wäldermaidli, das
dort in Stelle war, behandelt hatte, und des
Nachts auf dem Heimweg war, paßten sie ihm
auf und verprügelten ihn jämmerlich. Da er sich
auf seinen Gängen nicht mehr sicher fühlte, ließ
er sich ein Zimmer zwischen Wohnung und
Scheune einbauen, wo er ungestört war. Im Dorf
sah man voll Verachtung seinem Treiben zu.

Im Nachbardorf hatte einmal ein Bauer geackert
, kam mit den Ochsen heim, nahm ihnen

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die Joche ab und stellte sie in den Stall. Er
steckte ihnen Klee in die Raufen, aber sie fraßen
nicht und hängten ihre Köpfe. Da fiel dem Bauer
plötzlich ein, daß eine Frau, der man nachsagte,
daß sie eine Hexe sei, mit ihm auf dem Heimweg
gesprochen hatte. Dabei hatte sie mit der Hand
die fetten Ochsen gestrichen. Also waren die
Ochsen verhext! Spornstreichs lief er ins Nachbardorf
und brachte den ,,Hexenbanner" gleich
mit. Furchtsam sahen er und seine Leute zu, wie
er in die Stallschwelle ein Loch bohrte, in das
er unter Beschwörungen Baumöl goß und mit
einem Zapfen, den er in das Loch schlug, fest
verschloß. Nun mußte die ganze Familie in die
Stube gehen und fünf Vaterunser beten, aber sie
durften sich ja nicht umsehen. Nach kurzer Zeit
rief er alle heraus und er zeigte ihnen, wie gut
es den Ochsen schmeckte. Der Bauer sagte anerkennend
: „Jä, der Meister cha doch öbbis, d'Ochse
fresse wieder!" Alle bewunderten erstaunt den
tüchtigen Mann, der außer einem guten Z'Obe
zwei Gulden (3,42 DM) dafür einsteckte.

„Meister, so hätt' ich au hexebanne chönne",
sagte der Hütebub, als der Hexenmeister weg
war. „Hättet Ihr dene Ochse d'Muulchörb ab-
gmacht, öb Ihr sie in der Stall gstellt hän, hätte
sie au gfresse. Ich ha dur der Fuetterlade gseh,
Wieners abgmacht un vorne im Stall ufghängt
het".

An ihn hatte keiner gedacht, als sie in das
Haus gingen, und das sprach sich schnell herum
zum Ärger des Bauern. Er bestellte die jungen
Burschen, gab ihnen Wein und sie verprügelten
den Hexenmann bei der nächsten Gelegenheit
mit Freuden. So ging es ihm noch oft, und er
verlegte sich auf den größeren Umkreis und ins
benachbarte Elsaß. Noch 1885 kamen die Elsässer
mit ihren Einspännern, um bei ihm Wein zu
holen und gesichert zu sein gegen alles Unglück.
Sie kamen von Battenheim, Sennheim, Uffholz,
Feldkirch, Oberburnhaupt usw. Als Markgräfler
in den Herbstmanövern drüben lagen und ihres
Dialekts wegen erkannt wurden, fragte man sie
oft, ob sie den „Hexenmeister" auch kennen
würden. Zufällig war einer aus seinem Dorf
unter ihnen, und er sagte, er kenne ihn ganz gut.
Auch eine Metzgersfrau in Sennheim frug nach
ihm. Sie wäre auch schon bei ihm gewesen,
erzählte sie, er sei ein „heiliger" Mann! „Jo, e
ganz heilige!" meinte der Soldat ironisch. Ja,
ihm verdanke sie ihr Glück, sagte die Frau ernst-


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