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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1954-07/0005
Die Markgrafschaft

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Jb\t 2Ute an bec ©djorenbrutf

Es gibt in unser aller Leben besondere Stätten
und Plätzlein auf dieser Erde, die für uns durch
irgendein bedeutungsvolles Ereignis erinnerungsschwer
und unvergeßlich geworden sind. Es zieht
uns zu diesen Stätten hin — nicht wie den Mörder
an den Ort seiner Untat, sondern wie Meldegänger
, die von dieser Kommandostelle immer
wieder Weisung fürs Leben erhalten. Mag sich
auch im Laufe der Jahre gar manches an diesem
Plätzlein geändert haben, für uns bleibt es unverändert
wie zur Zeit des damaligen Geschehens,
und auch die Menschen, die es mit uns erlebten,
erstehen uns wieder lebendig, obwohl sie längst

Elternhaus zu verbringen vorhatte, um mich im
Französischen weiterzubilden. Es waren köstliche,
unbeschwerte Wochen, die wir miteinander erlebten
, als sollte uns noch ein letztes Mal die
ganze Jugend in goldenem Frohsinn geschenkt
werden. Was kümmerte uns schon der Mord von
Serajewo! Wir blickten nicht nach den Gewitterwolken
, die sich gefahrdrohend am politischen
Himmel zusammenzogen, wir lebten in unserer
Jugendfreude und ließen uns darin nicht stören;
wir badeten im Rhein, wir machten unsere Ausflüge
in die Berge des Schwarzwaldes und der
Vogesen und immer gab's viel und herzlich zu

Reif zur Ernte

Aufnahme: F. W.

dahingegangen sind. An solcher Stätte steht die
Zeit still, Längstentschwundenes wird heraufbeschworen
und Längstvergangenes behält für
uns Ewigkeitsbedeutung.

Ein solches Plätzlein ist für mich der Ort, den
Hebel in seiner Vorrede zum neuen Jahr 1809 in
seinem Rheinländischen Hausfreund beschreibt:
Zwischen Basel und Haltingen an der Schorenbruck
sei einmal ein altes Weib, eine Hexe gesessen
, die einer braven Markgräfler Frau allerhand
schlimme Prophezeiungen gesagt habe. Es
handelt sich in meinem Fall zwar auch um eine
alte Frau, die mir. gleichfalls prophezeit hat, aber
es war keine Hexe, und was sie mir mit sehr
ernsten Worten vorgedeutet hat, ist nur zu sehr
zu einer furchtbaren Wirklichkeit geworden, und
die kurze Begegnung mit ihr ist mir in allezeit
gegenwärtiger Erinnerung geblieben, obwohl jetzt
bereits vierzig Jahre drüber hingegangen sind.
Im Juli 1914 war's. Wir hatten im Efringer Pfarrhaus
einen Feriengast aus der französischen
Schweiz, den Monsieur Albert, der bei uns
deutsch lernen sollte, während ich dann im
August zum Austausch meine Ferien in seinem

lachen, wenn Monsieur Albert sein Deutsch
kauderwelschte und Sätze voll grammatikalischer
Fehler hervorbrachte. Und dann schlug eben doch
der Blitz ein — für uns junge Menschen wie aus
heiterem Himmel. Der Krieg rückte in bedrohliche
Nähe, die Mobilmachung wurde ausgerufen,
und wir mußten unseren Feriengast so schnell
wie möglich über die Grenze schaffen, ehe sie
sich schloß. Schon fuhren die Züge für Zivilpersonen
unregelmäßig und Albert und ich mußten
den Weg von Efringen bis zur Grenze am
Otterbach mit ziemlich schwerem Gepäck unter
die Füße nehmen. Glücklich konnte ich Monsieur
Albert noch über die Schweizer Grenze schieben,
wir verabschiedeten uns mit dem Versprechen
eines baldigen Wiedersehens in der Schweiz, das
nie stattgefunden hat, und ich trottete« allein
heimwärts. Es war schon gegen Abend geworden,
und statt der allabendlichen, friedlichen Betglocke
läuteten ringsherum alle Glocken in Weil,
Haltingen und im Elsaß drüben die Mobilmachung
und den Beginn des Krieges ein. Mir
ward sehr feierlich und begeistert zumute auf
meinem Marsch. Da redete mich ein altes Groß-


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