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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1956-08/0007
Die Markgrafschaft

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Ernst Sander:

Kene ©djitfele nnb bit

„Alles war heutig, schön und frisch".

Rene Schi ekele: „Himmlische Landschaft" Seite 29

Rene Schickeies liebenswürdigstes und liebenswertestes
Buch „Himmlische Landschaft" liegt in
neuer, schmucker Ausgabe vor: klar, nobel und
ansprechend gedruckt, und bereichert durch
strichsicher und blicksicher das Wesentliche der
Landschaft um Badenweiler mit schöner Entschiedenheit
herausstellende Federzeichnungen
und zudem durch Wiedergaben klug gewählter
Aquarelle und Sepiazeichnungen von der Meisterhand
Professor Emil Bizers. Auf diese Weise
wirkten zwei mit Badenweiler durch Blut und
Zeit eng verbundene Künsterpersönlichkeiten zusammen
, um Gültiges und Dauerndes, über ge-
schmäcklerische Liebeserklärungen weit Hinausgehendes
zu bekunden.

Badenweilers Kurbuchhändler Bernhard Krohn
hat durch die Neuauflage des letzten Buches, das
Rene Schickele in Badenweiler schrieb — die von
Sammlern begehrte Erstauflage erschien 1933 —
mehr getan, als eine Ehrenpflicht gegenüber dem
toten Dichter zu erfüllen, was an sich schon verdienstlich
wäre. Doch indem er Lebensfähiges,
Unveraltetes neuem Leben zuführte, gab er den
ernsthaften und anspruchsvollen unter den zahllosen
Freunden und Liebhabern Badenweilers
Gelegenheit, ihr Erlebnis von Badenweilers
Landschaft nach Art und Besonderheit zu vertiefen
, zu ordnen, zu gliedern und somit vom
sinnlichen Eindruck ins Wesenhafte und Unverlierbare
zu projizieren. Man vermag vom Erlebnis
der Markgräfler Landschaft zu diesem Buche
zu gelangen — man vermag vom Erlebnis dieses
hellen, heiteren, schönen, frischen Buches zum
gesteigerten Erlebnis der Markgräfler Landschaft
fortschreiten. Und somit dürfte schwerlich zuviel
gesagt sein, wenn behauptet wird, daß die Neuausgabe
der „Himmlischen Landschaft" in gleicher
Weise dem Andenken des Dichters Rene
Schickele und dem Preise Badenweilers diene,
zugleich aber und vor allem den Gästen Badenweilers
zugute komme.

Der äußeren Gestalt nach eine lockere Folge
kleiner, indessen beziehungsreicher episodischer
Impressionen, dargebracht mit jener blitzend
heiteren, ausdrucksstarken Präzision, die nicht
formelhaft einengt, sondern ins Herz der Dinge
zielt und trifft (was überaus bezeichnend für
Schickeies Stil und Einzelgestaltung ist), — dem
Gehalt nach — gewissermaßen — ein kleiner
autobiographischer Roman, eine Reihe von Tagebuchblättern
, einsetzend mit der Ankunft in
Badenweiler nach kaum überstandener Kriegszeit
, nach mancherlei Irrfahrten und Versuchen,
seßhaft zu werden. Ein Bericht von kleinen und
großen Erlebnissen, zumal dem der Landschaft,
dieser Landschaft, der Landschaft überhaupt, für
die, nach einer beseligenden Schilderung der
Himmelslandschaft mit den sich wandelnden
Wolken, die Bezeichnung „himmlisch" gefunden
wird — weniger im Sinne backfischhafter Schwär-

f)!mml!f*e tanbfdjafr*

merei denn als Ausdruck der Erdentrücktheit des
Irdischen in seiner hier beglückend ausgeprägten
Vollkommenheit. Und endend im Herbst, als die
Sonne dem Erzählenden eine schwere Hand auf
die Schulter legt, mit der Ahnung des Abschieds,
der, für Schickele, ein endgültiger Abschied werden
sollte — der indessen für den heutigen Leser
als Gleichnis für seinen Abschied von Badenweiler
erscheint.

Dazwischen eingestreut Begegnungen mit
Menschen — mit Bizer, mit dem Arzt, mit Hand-

Badenweiler Foto: Haarstick, Badenweiler

werksburschen und dem Blauen-Briefträger —,
mit Tieren — Hunden, Käfern, einem Hasen,
einem Jungfuchs —, mit Blumen und Bäumen:
und stets persönlichste Wahrnehmung so ausgedrückt
, daß ihre leuchtende Einmaligkeit das
Allgemeinste, das jeden Angehende und unmittelbar
Berührende in sich begreift. Und als Basso
continuo hinter dem allen, unter dem allen eine
Erlebnisreihe, die uns Heutige in besonderem
Maße ergreift: das langsame, aufatmende Sichfüllen
des von den Nöten einer kaum überwundenen
bösen Zeit ausgehöhlten Menschen im
Zurückfinden zur Landschaft.

Hier geht es nicht um einen abgestandenen
Rousseauismus, um gefühlstriefende Natursimpelei
, um Vemiedlichung und Verholdung
und Vergoldung beiläufiger Nichtigkeiten, sondern
um das Aufzeigen der fruchtbaren Möglichkeiten
, die das Hintreten vor die Landschaft
beschert, um aus ihr das Maß an Glücksfähigkeit
zu gewinnen, dessen man fähig ist.

Der Freund Badenweilers findet nicht nur die
Markgräfler Landschaft als Gesamt wieder, sondern
auch viele ihrer Einzelzüge, die er liebt: so
etwa die Türkenbundwiese bei der Schwärze, die
Bank neben dem alten Steinkreuz am Lipburger
Tälchen. Er findet Prägungen, die ihn entzücken,
weil sie aussagen, was er dunkel empfand —
etwa wenn von „einem Singsang von Licht" über
der Rheinebene gesprochen wird, oder von Hü-


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