Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fs
Hebelbund Müllheim [Hrsg.]
Die Markgrafschaft: Beiträge aus Geschichte, Kultur und Wirtschaft des Markgräflerlandes
8. Jahrgang, Heft 11/12.November/Dezember 1956
Seite: 2
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1956-11-12/0004
L. Börsig:

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Siehe, Finsternis bedeckt das Erdreich und
Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der
Herr, und Seine Herrlichkeit erscheint über dir.
Und die Heiden werden in deinem Lichte wandeln
und die Könige im Glanz, der über dir aufgeht
". So heißt es in den Weissagungen des Jesaia.
Wir haben diese Stelle gewählt, weil sie unseren
Tagen sehr angemessen erscheint als Introitus
für Advent und Weihnachten dieses Jahres, das
allüberall voller Not und Dunkel endet.

Schmerzlich krampft sich unser Herz zusammen
, wenn wir uns erinnern an die Gewalttaten
derjenigen, die sich als die Herren der Welt fühlen
. Scham und Trauer erfüllt uns, wenn wir uns
die blutige Verhöhnung alles dessen vergegenwärtigen
, das da heißt: Menschlichkeit, Achtung
vor dem andern, Rücksicht auf Frauen und Kinder
, Friede und Gerechtigkeit. Der latente NichtFriede
hat sich an mehreren Stellen der Welt zu
einem brutalen, zornig aufflammenden Krieg
entwickelt. Mitten im Frieden, der in unserem
Jahrhundert noch niemals gefestigt war. Rezepte,
wie es anders werden könnte, gibt es viele. Wir
wollen uns mit dem einen oder anderen nicht
auseinandersetzen. Mag sein, daß jedes, nur
konsequent angewendet, zum Erfolg führen
würde. Das eine früher, das andere später. Das
eine anhaltender, das andere wenigstens vorübergehend
lindernd. Aber von ohnmächtigem
Schrecken gepackt, sind wir Zeugen des schändlichsten
Triumphes der Gewalt, der Finsternis
und der Barbarei. Werden morgen unsere Kinder
und Frauen durch eisiges Wasser gejagt, von
Panzern zermalmt, von Granaten zerrissen? Werden
morgen wir, du und ich und dein Bruder
und dein Vater überrollt, gefangen und wieder
in jene Viehwagen geworfen, in denen wir schon
einmal eine Reise antraten, von der so viele
nicht mehr zurückkehrten? Wird sich der Himmel
, wie in Budapest und Port Said, morgen
auch bei uns wieder rot färben? Wer gebietet
den Wahnsinnigen, die berauscht sind von der
Macht ihrer Panzer und Düsenflugzeuge oder
getrieben von der Gier nach Aktien und Dividenden
, endlich Einhalt? Hören wir nicht
immer wieder jenen letzten Verzweiflungsruf
der Ungarn, der uns am 4. November wie eine
Brandfackel in unsere eigene Verzweiflung geschleudert
wurde? Und hören wir nicht das
satanische Gelächter derjenigen, die ,,Gott dankbar
sein wollten, wenn sie an einen Gott glauben
würden?" Gewiß, es gibt Menschen und Mächte
unserer Zeit, die tapfer und unverdrossen die
Fahne der Menschlichkeit hoch halten. Gewiß
auch gibt es große politische Versuche, des Wahnsinnes
Herr zu werden. Aber auf eine brutale
Weise sind wir belehrt worden, daß es einen
Teufel gibt und daß dieser Teufel ungeheure
Macht hat. Von Augenzeugen wurde uns berichtet
, daß das tapfere ungarische Volk in den Tagen
des Aufstandes samt und sonders der tiefen
Überzeugung war, daß jeder Freiheitskämpfer
gegen den lebendigen Satan angetreten war.
Und dieser lebendige Satan — wir mögen das
natürlich mit theologischen Gründen für nicht

ganz richtig halten — hat doch triumphiert! Es
sind doch, nicht nur in Ungarn, tausende Menschen
getötet, gefoltert, ihrer Habe, ihrer Heimat
beraubt worden. Es weinen doch wieder tausende
Kinder aus Hunger, und tausende Mütter tragen
ihre Kindlein bei Nacht und Kälte in fremdes
Land. Und wie vieles andere, von dem zu schreiben
die Ehrfurcht vor dem Leid (mitten unter
uns) verbietet.

Finsternis bedeckt das Erdreich und Dunkel
die Völker. Der Fürst der Finsternis regiert heute
wie ehemals. Schwer wird es uns, in reiner
Freude die Botschaft des Weihnachtsengels zu
hören. Schwer wird es sein, das Halleluja über
Bethlehem zu vernehmen. Schwer fällt uns,
unbekümmert dem Stern zu folgen, der seit
Jahrtausenden zum Frieden Gottes weist. Aber
ist es nicht auch so, daß wir in jenem schmalen
Raum um die Krippe den einzigen Frieden finden
können, der unsere Betrübnis und Angst
überwindet? Ist es nicht so, daß wir, bereit zur
Demut und zur Furcht vor dem Herrn, die einzige
Tröstung erfahren, die uns heute gegeben werden
kann? Uns schützt keine Deklaration. Uns schützt
ein Glaube, der stärker ist als die Finsternis.
Dies scheint uns heute die letzte Konsequenz zu
sein. Dies ist es doch, was uns nicht verzweifeln
läßt, vor allem nicht verzweifeln läßt an der
Botschaft von Bethlehem. Freilich, der Prophet
Jesaia, der uns das Licht verheißt und die Herrlichkeit
des Herrn, beginnt mit dem Anruf an
uns: Mache dich auf, werde licht! Und wäre es
nicht ein schönes Licht, das von uns ausginge
und die Finsternis um ein weniges heller machen
würde, wenn wir diesen Anruf auch als Mahnung
zur Barmherzigkeit verstünden? Zur Barmherzigkeit
gegenüber jedem Leid, das sich uns täglich
darbietet? Gegenüber den Mühseligen und Bela-
denen, die unsere eigene Schuld und Last zu
tragen haben. Wäre es nicht für uns leichter, mit
in den inneren Jubel der Engel und Hirten einzustimmen
, wenn wir vorher eine einzige Tat
der Barmherzigkeit ausgeübt hätten? Wenn wir
so dem Psalmisten folgen würden, der da ruft:
Machet die Tore weit und die Türen in der Welt
hoch, daß der König der Ehren einziehe!

Die Engel

Und als der Herr geboren war,

Da wichen Gewölk und Wind,

Und die Nacht war groß und sternenklar,

Und Maria neigte das dunkle Haar

Über das schlummernde Kind.

Ihr Schmerz war aller Mütter Schmerz,
Ihr Glück war aller Glück;

Doch was an Ahnungen schwoll durch ihr Herz,
Was an Trauer und Jubel scholl himmelwärts —
Das kehrte verwandelt zurück:

Denn jeder Gedanke ein Engel ward —
Sie standen, ein leuchtender Chor;
Vereinend des Höchsten, des Tiefsten Macht:'
So scholl ihr Gesang durch die heilige Nacht
Zu den ewigen Sternen empor.

Ernst Sander

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