Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., H 4688,fs
Hebelbund Müllheim [Hrsg.]
Die Markgrafschaft: Beiträge aus Geschichte, Kultur und Wirtschaft des Markgräflerlandes
8. Jahrgang, Heft 11/12.November/Dezember 1956
Seite: 5
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mich immerhin sachlich. Ich könnte mich ja bald
selbst davon überzeugen, denn der Vater schenke
der Mutter zu Weihnachten ein Klavier und da
würde es sich ja wohl erweisen, ob das Christkind
damit zum Küchenfenster herein käme.

Wirklich, zwei Tage vor dem Fest schleppten
zwei Männer in schweren Gurten lastend ein
Ungetüm mit goldenen Pedalen und Kerzenhaltern
die Holztreppe herauf ins Weihnachtszimmer
. Ich empfing die Mutter mit forschenden
Blicken, als sie von oben kam. Sie aber beruhigte
mich: natürlich habe mein Bruder recht. Schließlich
könne ein zarter Engel sich doch die schweren
Stücke abnehmen lassen, es bleibe ihm noch
genug für die Kinder zu bringen übrig. Darauf
nahm sie mich bei der Hand, führte mich vors
Klavier. Ich hatte bis dahin nie gehört, daß meine
Mutter Klavierspielen könne und verfolgte nun
staunend, wie sie vorsichtig den schwarzlackierten
Deckel öffnete, einmal sanft über das Elfenbein
wischte, als nähme sie Staub ab, und plötzlich
mit beiden Händen in die Tasten griff. Mich
überwältigte ihr Spiel und der unverhoffte Glanz
des Wunderbaren, der sie umfloß, derart, daß ich,
um Tränen der Ergriffenheit zu verbergen, mein
Gesicht in ihre Bluse drückte.

„Hoch vom Dachstein" betitelte sich, was sie
spielte, und ich pfeife seitdem dieses Stück stets,
wenn ich etwas vorhabe, was mich beschwingt.

Trotzdem, der Stachel des Zweifels war in
meinem Herzen stecken geblieben. Meine Mutter
tat alles, mich zu beruhigen, indem sie mir versicherte
, mir bringe das Christkind meine Sachen
ganz bestimmt persönlich.

Ich durfte mich abends davon überzeugen, daß
das Küchenfenster offen blieb, und sie beschrieb
mir angesichts des ersten Schneefalles, dessen
Flocken unruhig wie Bienen vor dem Flugloch
ihres Stockes vor dem Fenster hin und her
schwirrten, daß es auch der Himmelsbote bei
seinem eiligen Fluge sicherlich ebenso schwierig
haben werde, zumal mit Spielsachen beladen,
zum Fenster hereinzukommen.

B. Gmeiner:

Weihnachten ist im Schwarzwald nicht erst
am 24. Dezember, sondern schon eine ganze
Weile vorher. Wenn der Nikolaustag einmal vorüber
ist, rüstet man auf das Christfest. Jeder in
den Familien droben auf den kahlen Höhen des
Hochschwarzwaldes, jeder in den Bauernhäusern
der tiefversteckten Täler bereitet das Fest auf
seine Weise vor: Der Vater oder ein Sohn holen
jetzt schon in großen Körben schönes Moos aus
dem Wald; es soll die Krippe mit aufbauen helfen
, und man muß es beizeiten herbeischaffen,
bevor Schnee und Eis es bedeckt. Ein paar alte
Stumpen oder merkwürdige Steine nimmt man
wohl auch mit nach Hause. Daheim kramt die
Mutter die Schachteln mit den Krippenfiguren
hervor und sieht nach, welche etwa ausgebessert
werden müssen. Die Kinder haben schon eine
Weile Silberpapier gesammelt, um die Bäche und
Teiche der Krippenlandschaft daraus zu machen.

Wir verabredeten, daß sie wenigstens in der
Nacht vor der Bescherung mich wecken würde,
falls er käme und ich schliefe, oder mein Krokodilauge
nicht flink genug sich öffnen ließe. Die
Mutter versprach es wohl, doch müde vom Teigausstechen
, war sie selbst eingeschlafen, so daß
sie nichts mehr von der Ankunft des Christkindes
merkte.

War es vielleicht gar nicht gekommen? Ha,
doch, das silberne Glöckchen hatte sie noch im
Traum vernommen. Und — was war denn das?
Auf meiner Bettdecke lag ein winziges zitronen-
farbenes Federchen, wie ich es später im Kopfputz
weißer Kakadus im Stadtgarten gesehen
habe, ein kleines, leichtes Federchen auf dem
schneeweißen Deckbett. Wir betrachteten es beide
lange hingegeben und blickten dann einander
fragend in die Augen.

Also das Christkind war doch dagewesen und
über mein Bett geflogen, ohne daß ich es gespürt
hatte. Dabei war ihm ein Federchen ausgegangen.
Ja, aber die Engel hätten doch weiße Flügel,
meinte ich. Außen, versicherte die Mutter, aber
das Futter der Innenfläche sei golden. So?

Wir hatten das Federchen noch gar nicht
berührt und hatten keine Eile, es zu tun, bevor
ich die Worte der Engelsbeschreibung der Mutter
bedächtig bei mir erwogen hatte.

Nun nahm sie es vorsichtig wie das erste Veilchen
des Jahres zwischen zwei Finger und überreichte
es mir. Ich sollte es behalten dürfen, aber
niemand etwas davon sagen, am wenigsten meinem
Bruder.

Wir leerten ein Aluminiumbüchschen, in dem
die Schreibfedern aufbewahrt wurden, und
bargen darin das himmlische Unterpfand, das
mir gehörte, mir allein, zum Dank für meinen
Glauben.

Es kam nicht auf den Gabentisch. Die Mutter
mußte es jeden Abend unter mein Kopfkissen
legen, solange die Weihnachtszeit dauerte. Später
bewahrte sie es in ihrer Schmuckschatulle auf.
Wie konnte es nur verloren gehen!

Denn so eine Schwarzwaldkrippe ist eine
richtige Landschaft, die oft ein ganzes Zimmer
oder doch einen großen Teil der Stube ausfüllt.
Und sie ist eine ernsthafte Sache, kein Kinderwerk
. Was Wunder, daß sich der rechte Schwarzwälder
Hausvater selber um den Aufbau kümmert
und seinen Stolz darein setzt, weitum die
schönste und größte Krippe zu haben. Lang vor
dem Fest beginnt er: Auf dem Boden oder auf
einem tischhohen Gerüst wird eine phantasievolle
Landschaft aufgebaut, mit Bergen aus
Stumpen und Steinen oder aus leimgehärtetem
Tuch. Ebene und Berge werden mit dem wohlbehüteten
Moos überlegt — Illusion des Wiesengrün
der Weiden. Silberne Teiche und Bäche
liegen in den Wiesen und von den Felsen sprühen
die Wasserfälle, überspannt von Brücken aus
Birkenreisern. Inmitten des Panoramas steht der
Stall der Geburt, — eine strohgedeckte Hütte

Von K r ip p e n b a u e n , Christbaum und Hutzelbrot

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