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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/markgrafschaft-1960-06/0005
kanntq der Theo nicht. So wenig wie Arbeit nach
dem Verständnis der Bauern. Freilich, wenn
irgendwo ein Gewitter das liegende Heu oder die
Garben bedrohte, warf der Theo Kittel und
Knotenstock an den Feldrain und half und
schwang seine Gabel für zwei. Aber wenn die
Wagen in der Scheuer standen und das Vespern
vorbei war, hielt ihn nichts mehr: Mit dem abziehenden
Gewitter zog auch er weiter.

Selten, daß er die Gesellschaft der Menschen
suchte oder auf die Länge ertrug. Der Dobel-
mathis an der Brandeck beschwatzte ihn einmal,
ihm den Knecht zu machen; er dachte in seiner
Einöde am Theo einen witzigen Unterhalter zu
haben. Der Theo blieb auch eine Weile und tat
seine Arbeit recht. Aber seine Reden wurden
immer weniger; bald sang er nicht mehr und aß
nicht mehr. Und als nach acht Tagen der Bauer
eines Morgens nachsah, weshalb der Theo nicht
herunterkäme, fand er die Kammer leer. Vom
Waldrand über dem Hofe her aber hörte man
noch den ganzen Morgen über den befreit strömenden
Gesang des Theo. Dem Dobelbauer tats
leid, mehr um die Gesellschaft des Landstreichers
als um seine Hilfe, denn er hörte die
Reden des Theo gern.

Das konnte man nicht von allen Leuten
sagen. Denn der Theo hatte eine eindringliche
Art, sie nach ihrem Wohin und nach dem Wofür
und Wozu ihres Tuns zu fragen. Er fragte ihnen
die Seele aus dem Leib, wenn er Lust dazu
hatte, — daß sie nachher dastanden wie das Kind
im nassen Hemd. Und wer ihn — es kam zwar
selten vor — foppen wollte oder wer ihm nicht
gefiel, dem sagte er passende und bittere Wahrheiten
. Dem einen etwa, er solle sich nicht so
hetzen bei der Arbeit, die Frau trage doch alles
aus dem Haus; einem andern, er solle besser
daheim bleiben und auf seinen Sohn und die
Jungmagd aufpassen. Fand er sich aber bei guten
Leuten ein oder saß er mit wohlwollenden Menschen
am Wirtshaustisch, so erwies er sich als
Philosoph. Er gab durchdachte Lebensregeln zum
besten, ja, ein ganzes System von nützlichen

Peter Bach:

Stille und Abgeschiedenheit abseits der großen
Verkehrsstraßen. Schwarzwaldromantik. Die
Straße führt über Höhenzüge, durchquert lichte
Wiesentäler und schattigen Wald. Aus der Ferne
grüßen die Doppeltürme der ehemaligen Augustinerklosterkirche
von St. Märgen. In sanften
Wellen breiten sich die bewaldeten Hügelketten
zu Seiten der Talstraße. An den Hängen leuchten
hellgrüne Wiesenmatten, dann und wann in die
verstreute Buntheit einer Ortschaft hinüberwechselnd
. Urach. Aufrecht weist der gedrungene
Zwiebelturm aus der umfriedenden Kirchhofsmauer
in den blauen Himmel, ein Bild heiterer
Gelassenheit. Weiter geht es durch die bucklige
Welt des Schwarzwaldes in das Bregtal. Ein
glitzerndes und gluckerndes Gewässer begleitet
den Weg bis er sich, — von der Hauptroute in

Verhaltensweisen. Als oberster Grundsatz galt
ihm, daß die Welt und das Leben schön seien;
man müsse das nur erkennen und müsse zufrieden
sein, mit sich und dem Seinen zufrieden.
Ihr lieben Leute, konnte er sagen, was nützt
euch denn Haus und Hof und voller Kasten,
wenn ihr euch nicht Zeit nehmt, zu genießen,
was ihr habt. Schaut jetzt danach, wie schön
der Falke fliegt, — hört jetzt dem Fink zu;
im Alter, wenn ihr denkt, für derlei Zeit zu
haben, seid ihr blind und taub.

Trai er einen Burschen, der den Kopf hängen
ließ, oder ein betrübtes Mädchen, so ging seine
Rede so: Sei nur nicht traurig und schilt nicht
auf dein Unglück, denn es gehört dazu. Trägs
und bezahle, daß du glücklich gewesen bist.
Hinter dem Berg wartet schon ein neues Glück
auf dich: Wenn's da ist, denk an heut und genieß
es recht!

Mit Männern konnte er über ihre Sorgen
reden: Er wußte das Wetter voraus, kannte die
günstigen Tage der Aussaat und heilte den Pferden
die Kolik. Den Frauen lobte er ihre Kinder
und sagte ihnen — hatte er nur eine Weile bei
ihrem Spiel gesessen —, wie sie später durchs
Leben kommen würden.

So zog der Theo lange Jahre durch die Dörfer
. Bescheiden bat er um sein Stück Brot und
um einen Trunk, genügsam schlief er winters im
Heu und sommers in einer Ackerfurche. Und
sang und freute sich seines einfachen Daseins.
Bis er einmal für immer ausblieb. Es weiß in
unserer Gegend niemand, wo er gestorben ist.
Aber er fehlte vielen. Das Leben trieb seine
Geschäfte weiter, gewiß —, die Bäume blühten,
der Wein wurde gekeltert und der Schnee fiel
wie immer, der Habicht kreiste und der Wind
strich wie sonst über Berge und Hügel. Aber es
fehlte etwas, seit der Theo nicht mehr kam. Es
war, als habe er die Landschaft, die in einem
alten Landstreicher für eine Weile ihrer selbst
bewußt gewesen, ihre Beseeltheit wieder verloren
; sie war, da niemand sie mehr in wortlosem
Lied zu deuten und zu besingen wußte,
wieder in Dumpfheit zurückgefallen.

westlicher Richtung abweichend —, in eines der
abgelegenen Seitentäler windet.

Hoch am Berge, vor der dunklen Kulisse des
Tannenwaldes, liegt eine kleine Gruppe von
Höfen. Die Luft ist erfüllt vom Summen der
Insekten, vom Singen der Vögel. Die Hühner
haben es wichtig: Ein leuchtend roter Ball
springt den Wiesenhang hinunter. Kinderlachen
übertönt das Plätschern des Hausbrunnens. Tief
unten zieht sich die Straße nach Linach. Selten
wird die beschauliche Ruhe vom Lärm der
Motoren unterbrochen.

Die breit ausladenden Dächer der Anwesen
bergen Wohnräume, Werkstatt und Stallungen.
Die Außenwände sind mit handgeschnittenen
Schindeln verkleidet. Das Holz läßt erkennen,

Z>cc ?rigec bleibt nit ftot)!

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