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Markgräfler Jahrbuch
3.1954
Seite: 71
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Der Letzte seines Berufes. Frohe Erinnerungen an den Feldberger

Nachtwächter mit dem roten Bart

Von Paula Kromer-Hollenweger

Früher war der Nachtwächter nichts Besonderes. Er hatte die Aufgabe, in der
Nacht, wenn die andern schliefen, aufzupassen, ob nichts Verdächtiges, etwa ein
Brand, auszubrechen drohte oder sonst etwas die Nachtruhe hätte stören< können.
Außerdem schlug die Kirchenuhr noch nicht laut und vernehmlich die Stunde und
kein Wecker rasselte, wenn es Zeit zum Aufstehen war. Da hatte der Nachtwächter
die Stunden zu verkünden; einer tat es genau und gewissenhaft, der andere
nachlässiger, so wie er eben veranlagt war.

Unser Nachtwächter in Feldberg war aber ein besonderer. Nicht etwa, weil er
der Letzte war seines Berufes als Ausrufer der Stunde, sondern weil er einer der
gewissenhaften und fadengeraden Kerle war, über die man sich im stillen freut. Ein
Heiliger war er wirklich nicht, er liebte das Leben und wußte auch, wo man ihm
einmal einen guten Schnaps zur Winterszeit gerne einschenkte, ohne daß man ihm
nachsagen konnte, daß er ihm nachgelaufen wäre. Warum er gerade Nachtwächter
wurde, das hatte eine besondere Bewandtnis, Er war früher neben seiner kleinen
Landwirtschaft als Baum-Zweiger überall gesucht und war oft tage- und wochenlang
auf den Bäumen. Das Geschäft brachte ihn auch ins Elsaß, das damals schon
unter den Franzosen war, wo er einmal auch die von ihnen geraubte Kirchenglocke
seines Heimatdorfes fand. Daß man ihm den Spitznamen „'s Eichhörnli" angehängt
hatte, kam aber weniger von seiner Tätigkeit her als vielmehr um seines
langen roten Bartes willen, den er wie ein gutes Halstuch bei der Kälte um seinen
Hals zu schlingen pflegte und im Genick verknüpfte. Als er einmal in der Kirche
fror und sich auch seinen Bart in den Hemdkragen stopfte, mußten die Schulmädchen
lachen und dafür mußten sie nachsitzen. Das haben sie nie vergessen.

Sein Vater hatte unter Napoleon gedient und in Tirol mitgekämpft. Ihn selber
hätten die Freischärler allein um seines schönen Heckerbartes willen in ihre Reihen
aufgenommen, aber er sagte ihnen, daß er daheim ein Häuflein Kinder habe und
darum nicht mitkönne. Aber einer seiner Buben war mitgelaufen bis auf die Scheideck
und sah, wie General Gagern erschossen wurde. Da erwischte ihn ein hessischer
Soldat, legte ihn übers Knie und klopfte ihm mit dem Ledergurt die gespannten
Hosen. Später hat er oft davon erzählt und hat es deshalb auch nie vergessen.

Seine Frau hieß Katharina und war die Tochter des Bürgermeisters, und sie
war eine gute und kluge Frau und paßte gut zu ihm. Fragte ihn einer in einer Regennacht
, wenn er unter dem Fenster vorbeiging: „Was isch für Wetter?" So sang er:
„Allewyl ischs Regewetter, ich gang heim zu myner Chätter! 's het grad zwei
gschlage!"

Zum Nachtwächteramt kam er dadurch, daß er beim Bau einer Scheune mitgeholfen
hatte im oberen Dorf und aus großer Höhe heruntergefallen war und
sich den Oberschenkel am Hüftknochen verrenkt hatte, so daß er der Arbeit
im Feld draußen nicht mehr so ungehindert nachgehen konnte. Er blieb deshalb
auch Nachtwächter bis zu seinem Tode. Nach ihm war der Ortsdiener gleichzeitig
Laternenanzünder und Wächter und mußte auch mit der Schelle die Anordnungen

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