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Markgräfler Jahrbuch
3.1954
Seite: 97
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Kandern und in die umliegenden Ortschaften verlegt. Dadurch kam Dr. Kußmaul
nach Kandern. Schon Mitte April aber mußte er nochmals nach Holstein, um einen
Oberarzt abzulösen.

Als ein in Kandern ansässiger Arzt starb, erinnerte man sich dort an Dr. Kußmaul
und bot ihm die Arztstelle an, die er gerne annahm, da er vom Militär Abschied
genommen hatte. 1853 entschloß sich Dr. Kußmaul, seine Tätigkeit als
Landarzt aufzugeben und die akademische Laufbahn einzuschlagen. Er hatte damit
vollen Erfolg. Sein Name hatte unter den Medizinern guten Klang. Später wirkte
er als Professor an den Universitäten in Erlangen, Freiburg, Straßburg und Heidelberg
. Er starb am 28. Mai 1902 in Heidelberg.

In seinem Ende des vergangenen Jahrhunderts unter dem Titel „Jugenderinnerungen
eines alten Arztes" herausgegebenen Buch schildert er seine Erinnerungen
von frühester Jugend an in recht interessanter Weise. Mehrere Kapitel behandeln
auch seinen Aufenthalt und sein Wirken in Kandern. Wir lassen nachstehend
einige Abschnitte folgen.

Dr. Kußmaul läßt sich in Kandern nieder

Ein Jahr war gerade verflossen, seit ich mich in dem Städtchen Kandern von
dem Bataillon Holtz, mit dem ich eng verbunden gewesen, verabschiedet hatte, um
nach den nordischen Marken aufzubrechen. Inzwischen war einer der beiden Ärzte,
die in Kandern praktiziert hatten, weggezogen, man gedachte meiner und forderte
mich auf, die Stelle des Abgegangenen einzunehmen. In den ersten Tagen des März
folgte ich dem willkommenen Rufe. Es gelang mir rasch, Vertrauen und Praxis
zu erwerben. Mit rührender Geduld hatte meine Braut des Bräutigams, des fahrenden
Doktors, geharrt, jetzt war der feste Boden gefunden, worauf ich den eigenen
Herd errichten konnte. Im August wollte ich mein geliebtes Weib heimführen, da
starb plötzlich mein Vater, wir mußten die Hochzeit verschieben, bis der Herbst
ins Land zog.

Auf das brausende Epos der Revolution mit dem tragischen Abschluß hinter
den Mauern Rastatts folgte ein friedliches Idyll häuslichen Glücks. Meine ärztliche
Tätigkeit gewährte mir volle Befriedigung und ein mehr als ausreichendes Einkommen
. Ein erstgeborenes Töchterlein, natürlich ein Wunderkind, lachte den glückseligen
Eltern im zweiten Jahre des Kanderner Aufenthalts aus der Wiege entgegen
. Kein Wunder ist größer, kein Schauspiel entzückender als die Entwicklung
einer Menschenseele.

Nachwehen des 1849er Aufstandes

Eine Sache war freilich schlimm bestellt in Kandern. Die gesellschaftlichen Verhältnisse
waren greulich zerrüttet, die Bürgerschaft tief gespalten, selbst in dem
Schöße der Familie hauste die Zwietracht. In den kleinen Gemeinden des Großherzogtums
hatte die Revolution den bürgerlichen und häuslichen Frieden noch
tiefer untergraben als in den großen. In den Landstädten wohnten Leute zu nahe
beisammen, die steten Berührungen wurden zur dauernden Reibung, die politische
Gegnerschaft zur Todfeindschaft. Die nächsten Verwandten haßten sich oft am
grimmigsten. Seit der Aufstand niedergeschlagen war, hatte sich die Stellung der
Parteien von Grund aus verändert. Die oben gewesen, lagen jetzt unten, besiegt,
schwer getroffen, unzählige Hochverratsprozesse gingen den unbarmherzigen Gang
des Gesetzes.

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