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Markgräfler Jahrbuch
3.1954
Seite: 100
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selbstgezogenen Hanf und Flachs, die Söhne unterhielten die Flamme der Späne,
gingen ab und zu, besorgten den Stall und zogen aus zum Licht- oder Kiltgang.

Den Landmann trieb auch im Winter die Sorge um das Vieh frühe vom Lager,
es heischt sein Futter, lange bevor die Sonne sich erhebt. Für den Doktor, den sein
Beruf erst spät abends das Bett hatte aufsuchen lassen, kam namentlich der Wälder
allzu frühe von den Bergen herab, um ein Rezept, vielleicht den Doktor selbst,
zu holen. Schon um vier Uhr läutete er nicht selten an der Hausglocke. Mit diätetischem
Rat und milder Arznei war ihm nicht gedient, er verlangte starke Getränke
in großen „Gutteren" (Flaschen), oder Latwergen und Pulver, die tüchtig
„obsi" und „nidsi" wirkten, d. h. nach oben und unten „trieben", auch Aderlässe,
Schröpfköpfe, Blutegel, die das dicke, schwarze Blut aus den Adern nähmen. Guter
„Brenz" (Branntwein) zur Stärkung der „Lebensgeister", war ihm stets besonders
willkommen.

Bei dem Wälder stand die „Heilsame Dreckapotheke" des gelehrten Paulini von
1696, oder richtiger der Unrat, den er empfahl, noch in großem Ansehen. Ein
Dorfschmied im Gebirge verordnete einem Kranken mit Darmverschlingung und
Miserere nach dem Grundsatze Hahnemanns: „similia similibus" (Ähnliches durch
Ähnliches) eine Abkochung von Roßäpfeln (stercus equinum), aber nicht in homöopathischer
, sondern in allopathischer Gabe, gläserweise zu nehmen! Und der
schauderhafte Trank wurde getrunken.

Doktor Kußmaul über die Rebländer

Derlei Roheiten kamen im Tieflande nicht mehr vor. Das Volk besaß gutes
Urteil und war verständiger Belehrung und diätetischen Verordnungen zugänglich.
Aus dem ärztlichen Berater wurde leicht ein geschätzter Hausfeund. Man mußte
sich aber in der gastfreien, rebengesegneten Markgrafschaft hüten, bei jedem Besuche
das vorgesetzte Krüglein zu leeren. Kaum war man ins Haus getreten, so
wurden in der Regel Kanderner Bretzeln, kleine, knusperige Laugenbretzelchen,
ein gefüllter Weinkrug und Gläser aufgetischt. Die Bretzelchen, kleine,
knusprige Laugenbretzelchen, sind heute in ganz Deutschland als „Freiburger
" bekannt und beliebt; das Gebäck ist eine Kanderer Erfindung und
war damals kaum über das Gebiet der oberen Markgrafschaft hinaus bekannt
. Später kamen sie, durch einen spekulativen Freiburger Bäcker, allgemach
bis nach Norddeutschland, sie werden jedoch weit stärker gesalzen, als früher, und
dienen in den Bierwirtschaften hauptsächlich dazu, den Gaumen der Gäste durstig
zu stimmen und zum Trinken zu reizen. — Beim ersten Besuche eines Kranken
durfte ich den Willkommenstrunk nicht abschlagen, es wäre mir, namentlich bei
minder wohlhabenden Leuten, die nur über saueren Wein geboten, als Beleidigung
angesehen worden; hatte ich aber Bescheid getan, so bat ich, mir bei den folgenden
Besuchen nur dann Wein vorzusetzen, wenn ich seiner zu meiner Erfrischung bedürfte
. So vermied ich eine in der Markgrafschaft und den Weinländern überhaupt
gefährliche Klippe für Ärzte.

Von den Rebsorten, die dort gepflanzt werden, sind es hauptsächlich die verschiedenen
Arten der „Gutedel", deren Trauben den Wein liefern, der als „Mark-
gräfler" geschätzt ist. Seine Blume ist mild und schwach, sein Gehalt an Alkohol
gering, er erhitzt wenig, ist mäßig genossen ein angenehm, erheiterndes, ungefährliches
Getränke, auch sehr haltbar. Bei den reichen Bauern lagerte noch „Ko-

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