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Markgräfler Jahrbuch
3.1954
Seite: 141
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Es ist eine merkwürdige Erscheinung, wenn fast gleichzeitig eine Anzahl
von Markgräfler Dichterinnen erscheint, die alle das Licht von Hebels Stern
im Auge und das Bild der Heimat im Herzen tragen. Es sind Jungfrauen
unter ihnen, wie jene von Odelshofen, aber auch Frauen, die das Leben
erfahren, genossen und erlitten haben und aus der Fülle des Erlebten heraus
ihre Strophen schreiben. Wenn man ihre Lieder liest oder hört, fragt man
nicht, wie alt sie sind, sondern man staunt, wie jung sie wirken.

„Das Genie hat kein Alter und den Auserwählten scheint, wie den alten
Göttern, eine Art ewiger Jugend beschieden."

Das Instrument, auf dem sie spielen, die Harfe der alemannischen Mundart
, ist schmal und hat nur wenige Oktaven, und also klingen im ganzen
ihre Gesänge einander mehr verwandt, als sie es im Grunde sind. Aber wer
Lust und Kraft hat, sich in ihr Lied zu versenken, fühlt sich bereichert und
beglückt.

Die Dichtung gleicht dem Grundstrom im Boden: Ungesehen und unbedacht
strömt er langsam dahin, nimmt einen ganz anderen Weg als die
Gewässer der Oberfläche, und auf einmal springen ungeahnte Quellen hervor
aus ungekannten Tiefen.

Den Reigen der Markgräfler Dichterinnen führt zeitlich und geistig Lina
Kr omer von Obereggenen an, geboren 1889. Sie hat im Jahre 1934 ein
Gedichtbuch herausgebracht, „Im Blaue zue", zu dem Burte das Vorwort
geschrieben hat. Diese Markgräfler Bauerntochter, eine zarte, blonde Jungfrau
, lebt in dem schönen Dorfe unter dem Blauen im Kreise der Ihren
und nimmt an der Arbeit in Haus und Feld, am Leben in Freude und Leid,
in Brauch und Sitte, wie eine andere, teil. Die Vorgänge im Dorf und seiner
Welt, der Wandel des bäuerlichen Schaffens, die Vorstellungen und Empfindungen
ihrer Landsleute sind ihr klar bewußt; sie verleiht ihnen in guter
Mundart wahren und wesentlichen Ausdruck. Ihr schönes Lied aber steigt
aus einem verhaltenen, reichen und tiefen Innenleben hervor, und die Eindrücke
der irdischen Natur werden in ihren beschwingten Versen zum Ausdruck
der menschlichen. Wie der Meister, Hebel, fühlt sie auch groß hinter
dem blühenden Leben die ungeheuere Macht des Todes. Aber sie weiß seine
Schrecken zu adeln und zu verklären. Zu Zeiten entreißt sie sich der
bedrängenden Umgebung und sucht ihren Stoff in der Welt des Geistigen.
Freilich bleibt die Mundart immer eine Sprache des Gegenständlichen, fast
Handgreiflichen. Der Mensch und die Dinge sind ihr Stoff. Ein „Prometheus"
etwa, auf Alemannisch, kann nie so überzeugend gelingen wie ein Gedicht
von der Hochzeit oder Leiche, von der Sichelhenke und dem Fasnachtfeuer.

In ihrer Erscheinung und ihrem Wesen gemahnt Lina Kromer an die
Droste: Auch in der Sphäre des Religiösen ist sie mit der gläubig-ungläubigen
Westfalin verwandt.

Ihr sanfter, leiser Sopran wird abgelöst von der fraulichen, vollen Altstimme
der Ida Guldenschuh. Sie ist geboren 1881 in dem alten
Markgräfler Dorfe Kirchen am Rhein (das den höchsten Kirchturm und die
beste Ortsgeschichte des Markgräflerlandes sein eigen nennt) in einer Zeit,
wo es noch rein bäuerliche Dörfer gab, wo die ungeschriebene Sitte und das

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