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Markgräfler Jahrbuch
4.1962
Seite: 84
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgjb-1962/0085
Der Hisgir macht seine Sprünge

Wie der Winter in Vögisheim ausgetrieben wird

Von Fritz Fischer

Während auf unseren Schwarzwaldbergen, dem Blauen und Belchen noch der
Winterschnee liegt, hält im Markgräfler Rebland schrittweise der Frühling seinen
Einzug. Winterstern, Veilchen, Schneeglöckchen, Schlüsselblumen und wie die
ersten Blumen alle heißen, haben ihn angekündet, und die Vögel haben beim
ersten warmen Sonnenstrahl schon eifrig ihre Schnäbel probiert. „Zit isch do,
Zit isch do!" flöten die Meisen, und der Fink lockte ohn' Unterlaß: „Chumm
Joggeli, muesch e Gigli ha!". Inzwischen haben auch die Pfirsichbäume in den
Reben am Isteiner Klotz ihr rosa Kleid angelegt, in verschwenderischer Pracht
präsentiert sich die Prunusallee z'Mülle, stecken die Zierbüsche und -bäume im
Badenweiler Kurpark ihre Blüten auf.

Doch mit dem allem ist's nicht genug. Zu Blütenpracht und Vogelsang gesellt
sich hierzulande auch der Mensch als Künder des Frühlings. Nach uraltem
Brauch brennt das alemannische Volk im Markgräflerland die Fasnachtsfeuer
auf den Höhen ab zum Zeichen des wiedererstarkenden Lichtes und Lebens.
Der Winter ist tot.

Einer seiner letzten Kumpane zieht am Sonntag Lätare, oder Mittfastensonntag
wie es früher hieß, im Markgräflerland durch die Ortsstraßen: der
Hisgir. In Stroh eingewickelt vom Kopf bis zu den Füßen, mit einem Säbel
an der Seite und unter Schellengeklingel macht er seine Sprünge. Leider ist
dieser köstliche Bursche, der offenbar die letzte Macht des Winters verkörpern
soll, nur noch in ganz wenigen Dörfern anzutreffen. Um so erfreulicher ist
es aber, daß dort dieser alte Brauch von Generation zu Generation weiter überliefert
und geübt wird. So zieht am Sonntag Lätare auch in Vögisheim der
Hisgir durch das Dorf, und wir haben ihn dabei einmal ordentlich auf's Korn
genommen.

Ein kalter Wind weht über das Land, der Blauen ist tief verhangen, und
selbst hier unten fäuserlen einige Schneeflocken hernieder. In sonntäglicher Stille
liegt die Dorfstraße, nur die schmucken alten Brunnen plätschern ihr eintöniges
Lied. Da kommen gerade ein paar Buben daher mit Chriesichrätte, Körben, in
die zur Zeit der Kirschenernte die Kirschen gepflückt werden. Heute dienen
sie freilich einem anderen Zweck, wie wir später noch hören werden, denn die
Chrätte sind von großer Wichtigkeit beim Umzug des Hisgirs. — Wir folgen
den Buben, die spürbar voll Spannung und Freude geladen sind, und kommen
bald in eine abgelegene Scheuer, wo eben mit dem „Anziehen" des Hisgirs
begonnen wird. Im Verborgenen muß dies geschehen, denn die Kleinen dürfen
nicht sehen wer der Hisgir ist und wie er in Stroh eingewickelt wird. Nur die
Buben vom 4. bis 7. Schuljahr haben zu diesem geheimnisvollen Geschäft Zutritt
, während die Achtkläßler, also die Konfirmanden, sich nicht beteiligen dürfen.
Gänzlich ausgeschlossen sind ferner die Maidli, für die ein eigener Brauch sich
erhalten hat: die Ufertbrut, die in ähnlicher Weise wie der Hisgir der Buben am
Auffahrtstag (Himmelfahrtstag) als Künderin des Frühlings durch das Dorf zieht.

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