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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
13.1951, Heft 2.1951
Seite: 71
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gestaltend einzugreifen, indem er ergänzte, was ihm mangelhaft geregelt, und
verbesserte, was ihm unvollkommen oder überholt erschien, aber auch wegließ,
was ihm unwichtig und überlebt dünkte. Er gab dieser Ordnung das Gewicht
eines eigenen Gesetzes, indem er es siegelte und befahl, daß es alljährlich
am Montag nach Dreifaltigkeit vor versammelter Gemeinde vorzulesen war,
damit keiner Nichtwissen vorschützen und glauben durfte, sich dadurch den
nach der Dorf Ordnung notwendigen Rechtsfolgen entziehen zu können.

Die ersten Titel sind dem Gemeinderecht gewidmet. Mian kann bei der
Führung der Dorfgeschäfte, wie sie sich' aus dieser Ordnung darstellen, von
einer beschränkten Selbstverwaltung sprechen. Wohl wurde der Vogt vom bischöflichen
Obervogt in Birseck bei Basel, dem die Herrschaft Schliengen zusammen
mit der zu Birseck bis 1719 unterstand, eingesetzt. Als seinen Vertreter aber
hatte er aus der Zahl der Zwölfer einen Statthalter auszuwählen. Die Zwölfer
wiederum wurden in indirekter Gemeindewiahl mit Zustimmung des Vogts von
den Geschworenen jährlich bestimmt, während ein Teil der letzteren jährlich zu
Dreifaltigkeit durch Wahl von den Bürgern der Gemeinde ersetzt wurde. Der
Vogt leitete die Gemeindegeschäfte, beraten und unterstützt von den Geschworenen
, die größtenteils mit Gemeindeämtern betraut waren, über deren Führung
sie jährlich Rechnung zu legen und wobei sie bei einem Defizit einzustehen
hatten wie zivile Schuldner. Die „Zwelffer" berieten Vogt und Geschworene und
wurden zuweilen mit Sonderaufgaben betraut. Die Geschworenen können nach
ihrem Aufgabenbereich mit den heutigen Gemeindebeamten verglichen werden,
die Zwölfer mit den Gemeinderäten. Der Vogt wurde vom Bischof in der Weise
besoldet, daß dieser ihm einen Teil der Abgaben und Gebühren überließ. Geschworene
und Zwölfer aber übten ihre Stelle ehrenamtlich aus und hatten
lediglich während der Durchführung von besonderen Aufgaben Anspruch auf
Naturalunterhalt. Die Angehörigen beider Gruppen jedoch, wie auch der als
Gerichtsdiener und zu sonstigen niederen Amtsdiensten bestellte Waibel, waren
vom Obervogt in Birseck in Eid zu nehmen.

Das im Dorf befindliche bischöfliche Untergericht, von dem die folgenden
Titel sprechen, teilte sich in zwei Zuständigkeitsbereiche: das bürgerliche Gericht
und das Frevelgericht. Als Richter wurden jährlich 10 ehrbare Männer eingesetzt,
die ihren Amtseid auf Gott und die Heiligen (abzuleisten hatten. Zivile Rechtsstreitigkeiten
entschieden die Dorfrichter allein, Strafsachen dagegen kamen vor
das Frevelgericht, in dem der Vogt an Bischofs Statt den Stab führte. Während
das bürgerliche Gericht, insbesondere aus gerichtspolizeilichen Gründen, Bußen
bis zu drei Schillingen aussprechen konnte, wovon ein Drittel dem Vogt zufiel,
waren dem Frevelgericht bei Geldstrafen keine Grenzen gesetzt, jedoch mußten
hier die Verurteilten im Unbeibringlichkeitsfalle bei Wasser und Brot in den
Turm.

Jedermann war verboten, außergerichtlich zu versuchen, sein vermeintliches
Recht mit Gewalt durchzusetzen, auch konnte jeder Beklagte durch Ordnungsstrafe
angehalten werden, vor Gericht zu erscheinen. Andererseits aber stand
jedem Verurteilten, der sich zu Unrecht beschwert hielt, die Möglichkeit offen,
innerhalb von 10 Tagen beim bischöflichen Hochgericht Berufung einzulegen.
Im übrigen konnte jeder auf eigene Kosten auch außerhalb der ordentlichen Gerichtstage
einen Termin anberaumen lassen.

Den heutigen Dienstaufsichtsbeschwerden entsprechende Klagen sowie Bittschriften
konnten wohl an den Bischof direkt gerichtet werden, doch sollten sie
wegen der großen Entfernung zum Regierungssitz Pruntrut, wohin zwei Tagereisen
notwendig waren, zu Händen des Obervogts abgegeben werden, der sie
dknn mit seiner Stellungnahme dem Landesherrn in den Jura zu schicken hatte.

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