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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1954-02/0012
hemmen werde; das allseitig anerkannte Bedürfnis eines festen Zusammenschlusses
von Österreich und Deutschland werde auf andere Weise befriedigt
werden, jedenfalls aber werde Baden nicht ermüden, zur Umgestaltung des bestehenden
Verhältnisses aufzufordern, damit nicht ein tieferer Riß entstehe,
als im beiderseitigen Interesse gelegen wäre. Es ist interessant festzustellen,
wie genau sich doch Roggenbachs Gedanken und Pläne decken mit der späteren
Gestaltung des deutschen Schicksals, wie auch er — wie später Bismarck — die
Notwendigkeit einer kriegerischen Losung der deutschen Frage erkennt, wie
er selbstverständlich annimmt, daß ein neu geschaffenes Reich unter Preußens
Führung in nahem Verhältnis zu dem aus dem engeren Bunde verdrängten
Österreich bleiben müsse, so wie es seit 1879 im Zweibund Bismarcks der
Fall war. — Als Roggenbach dem preußischen König Wilhelm diesen seinen
Plan in Baden-Baden persönlich vortrug, fand er williges Gehör. Aber das
Attentat des Studenten Becker auf den König am 14. Juli 1861 bewirkte, daß
eine gründliche Erörterung auf ruhigere Tage verschoben wurde. Der verwirrte
Student hatte als Motiv für seine Tat angegeben, der König tue nicht
genug für Deutschlands Einheit. „Das ist klar, aber etwas drastisch!" sagte
König Wilhelm nach diesem Attentat. Er ließ sich durch den Anschlag in
seiner Auffassung von den Pflichten gegen Preußen und Deutschland nicht
beirren.

Am selben Abend des 14. Juli 1861 hatte der badische Staatsmann in Baden-
Baden im „Englischen Hof" eine lange Unterredung mit Bismarck, der preußischer
Gesandter in Petersburg war, dem König seine Gedanken über die Zukunft
Deutschlands vorgetragen hatte und nun auch Roggenbach den von ihm
verfaßten Entwurf seiner Denkschrift vorlas. Seine Ideen trafen sich in manchen
Punkten mit denen Roggenbachs. — Drei Tage später, am 17. Juli 1861, setzte
Roggenbach seine Gedanken dem Fürsten Chlodwig von Hohenlohe auseinander
. Da betonte er ganz besonders seine auch später immer wiederholte Forderung
, daß Preußen, wenn es die Einigung Deutschlands vollziehe, weder
Annexions- noch Unionspolitik treiben dürfe. Unter letzterer verstehe er eine
Politik, welche die Konzentration auf Gebiete übertrage, wo sie nicht nötig,
nicht praktisch und für die Erhaltung der einzelnen Staaten gefahrbringend sei.
An diesen Forderungen hielt Roggenbach auch in der Folgezeit unbedingt fest.
Da Bismarck sie nicht erfüllte, sondern Schleswig-Holstein Preußen einverleibte,
den vom Volk gewünschten Herzog von Augustenburg beiseite schob, mußte
sich der liberale süddeutsche Staatsmann als Idealpolitiker endgültig vom Realpolitiker
Bismarck abwenden, weil die Annexion durch Preußen seinen deutschen
Idealen entgegengesetzt war, weil er, wie die meisten nationalen Liberalen,
in der Art der Erledigung dieser Einzelfrage einen für Gesamtdeutschland bestimmenden
Präzedenzfall sah, den er niemals gutheißen konnte. Bismarcks
rücksichtsloses Vorgehen gegenüber dem preußischen Abgeordnetenhaus in der
Zeit des Heereskonfliktes 1863 hatte Roggenbach schon äußerst abgestoßen.
Wohl hielt er damals das Bestreben des Königs Wilhelm, das preußische Heer
zu verstärken, wegen der unausbleiblichen kriegerischen Auseinandersetzung mit
Österreich für durchaus berechtigt. Aber er war auch überzeugt, daß das
preußische Abgeordnetenhaus sich der Mitwirkung nicht versagt haben würde,
wenn die preußische auswärtige Politik der neuen Ära von mehr Selbstvertrauen
getragen gewesen wäre und den Nutzen einer starken Armee dargetan hätte.
Mißbilligte er auf der einen Seite die Kurzsichtigkeit, mit der das Abgeordnetenhaus
den Konflikt verschärfte, so war er doch mit seinem konstitutionellen
Gewissen nicht im Zweifel darüber, daß die Verfassung dem Abgeordnetenhaus
und nicht dem Ministerium Bismarck zur Seite stand. Ein Mann vom Schlage

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