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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1954-02/0017
Roggenbachs Lebenszuschnitt hat auch in seinem Alter immer etwas Grand-
seigneurales behalten bis in den Bereich der Politik hinein. Damit mag es
zusammenhängen, daß er, ohne Amt und amtlichen Auftrag, als Junggeselle
und Hofmann immer wieder als Berater politisierender oder politisch interessierter
Damen herangezogen wurde. Markgräfin Marie und Großherzogin Luise
von Baden, Kaiserin Augusta und Kaiserin Friedrich gehören zu diesem Kreise.
Unter den erhaltenen Damenkorrespondenzen Roggenbachs ist die mit Kaiserin
Augusta die bedeutendste. Man muß sie sich noch durch zahllose vertrauliche
Gespräche in Koblenz, Baden-Baden, Karlsruhe und Berlin ergänzt denken.
Gemeinsame Gegnerschaft gegen Bismarck ist auch in diesem Fall das einigende
Band. Roggenbach wird sich schwerlich Täuschungen über die Wirksamkeit
seiner schriftlichen Ratschläge hingegeben haben. Die Kaiserin erbat sie sich
zu ihrer persönlichen Unterrichtung oder um sie, mehr oder weniger überarbeitet
, dem Kaiser vorzulegen. Selbstverständlich mußte der Gedankenaustausch
in tiefstem Vertrauen vor sich gehen. Die Blätter der Kaiserin tragen
mehr als einmal den Vermerk „zur Vernichtung". Selbst Roggenbachs Denkschriften
hat sie teilweise aus Gründen der Sicherheit nach der Lektüre an ihn
zurückgehen lassen. Als der Straßburger Professor Geffken 1888 die Kriegstagebücher
Kaiser Friedrichs veröffentlichte, woraus der sog. Geffken-Prozeß
entstand, den Bismarck zu einem vernichtenden Schlag gegen seine Gegner
benutzen wollte, verdächtigte der Kanzler in erster Linie Roggenbach der Teilnahme
an einer Verschwörung gegen ihn. Eine Durchsuchung der Papiere
Geffkens brachte Briefe zu Tage, in denen Roggenbach freimütig seine Ansichten
über politische Fragen ausgesprochen hatte, die sich aber nicht im
geringsten mit dem bewußten Tagebuch beschäftigten. Trotzdem verlangte der
Untersuchungsrichter, daß der Schopfheimer Amtsrichter ihn zu einer Haussuchung
im Roggenbachschen Schloß in Ehnerfahrnau begleite. Das Haus
wurde gewaltsam geöffnet und der Schreibtisch des abwesenden Hausherrn
gewissenhaft daraufhin geprüft, ob geeignete Überführungsstücke dort verwahrt
seien. Die Sache wurde außerordentlich geheimnisvoll betrieben, der
zugezogene Gendarm war sogar in Zivil erschienen. Aus diesen Ereignissen
zog Roggenbach später eine Lehre und sorgte dafür, daß sein politischer
Nachlaß vernichtet wurde Dieser Vernichtung sind offenbar durch einen
Zufall die Papiere entgangen, die sich auf seine Tätigkeit als badischer
Minister beziehen. Unter diesen befinden sich auch die oben angeführten
vier Denkschriften an Kaiserin Augusta, die Fuchs uns mitgeteilt hat,
und die für seine Beurteilung Bismarcks besonders aufschlußreich sind. Sie
sind im Ton gedämpfter als die gleichzeitigen temperamentvollen Äußerungen
an andere politische Freunde. Bismarck wird in diesen Denkschriften als der
Zerstörer des monarchischen Gedankens hingestellt, der selbstherrlich und
herrschsüchtig mit allen nur denkbaren Mitteln seine Stellung so ausbaut,
weil er sich nicht allein für den greisen Kaiser unentbehrlich, sondern auch
— wie Fuchs schreibt — dem Nachfolger jeden Gedanken an seine Entlassung
unmöglich machen will.

In den genannten Denkschriften stellte Roggenbach die Behauptung auf:
„Bismarck ist fortan ein großes Parteihaupt in Deutschland und führt als
solches die Reichskanzlerwürde nach seinem Willen und Wollen, ohne daß die
Krone, also der Kaiser Wilhelm, und noch weniger der Kronprinz, in der
Lage ist, denselben jemals, solange er lebt, entfernen zu können ... es sei
denn, die „Partei Bismarck" zerfiele. Aus einem konstitutionellen Minister,
der namens und im Auftrag des Kaisers die Ämter führt, welche er inne hat,
ist derselbe ein neben dem Kaiser, auf selbständigem, eigenem Boden stehendes

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