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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1954-02/0019
Maßnahmen Bismarcks hervorgerufen würde. Es heißt dann wörtlich: „Es geht
aus diesen kurzen Betrachtungen hervor, daß nicht nur die deutsche Nation
alle Ursache hat, einmal Einkehr zu sich selbst zu halten und zu vergleichen,
wie sich ihr jetziges Verhalten zu den Zielen verhält, welche sonst den Völkern
germanischer Rasse gesteckt schienen. Auch die politische Leitung der Reichsangelegenheiten
darf sich einmal fragen, welches die letzten Folgen einer politischen
Methode sein werden, welche die Berserkerwut als regelmäßiges und
tägliches Regierungsmittel nach innen und außen gegen Staaten und Personen
verwendet." — Mit vollem Recht brandmarkt hier Roggenbach das nur zu
häufig arrogante Auftreten der jüngsten Großmacht Europas im Konzert der
Mächte, wodurch sich Deutschland jede Sympathie verdarb und Haß säte. —
In einer weiteren Denkschrift vom Jahre 1875 kritisiert der süddeutsche Staatsmann
diese ihm besonders unangenehmen Manieren der deutschen Politik nach
1870 mit folgenden warnenden Worten: „Solange der Eindruck der großen
Erfolge der Jahre 1870 und 1871 und der Zauber militärischer Unbesiegbarkeit
vorhält, hat diese Erschütterung der politischen Gesundung des Reiches wenig
Gefahr. Der übermütige Ton, in welchem aber die auswärtigen Angelegenheiten
des Reiches geführt werden, die Methode, bei auftauchenden kleinen
und nichtssagenden geschäftlichen Erörterungen sofort mit Bruch und Drohung
zu antworten, hat die Folge, daß die meisten europäischen Staaten eine weitere
Machtentwicklung des Reiches eher fürchten und eine Gelegenheit, die eigene
Selbständigkeit zu betätigen, unter dem Beifall aller übrigen nicht unbenutzt
vorübergehen lassen werden. So erscheint die deutsche Politik und ihr ganzes
Gebahren schon jetzt als zu hoch gespannt." — Daß Roggenbach nur zu recht
hatte mit dieser Kennzeichnung der deutschen Überheblichkeit mit ihrem
Säbelrasseln und mit der Aufdeckung der möglichen Folgen für Deutschlands
Stellung in der Welt, haben wir zu unserm Leidwesen alle am eigenen Leibe
erlebt. — Mit vollem Recht geißelt er in der selben Denkschrift die verfehlte
Innenpolitik der Kulturkampfzeit mit folgenden Worten: „Leider ergibt sich,
daß die von offiziöser Seite stets genährte Leidenschaftlichkeit auf konfessionellem
Gebiet bereits dahin geführt hat, daß der Haß und die Gewalttätigkeit
der herrschenden Partei ein jedes Innehalten auf dem betretenen Weg undenkbar
erscheinen läßt. Die Verbitterung des numerisch so viel schwächeren Teiles
der deutschen Bevölkerung sucht unter diesen Umständen Zuflucht in dem
einzigen Gefühle, welches den Minoritäten bleibt, in der Verachtung ihrer
Bedränger und in dem Bewußtsein eines unausfüllbaren Spaltes, der sie von
denselben trennt. Dieses Resultat ist das schlimmste, welches die Nation treffen
konnte, denn es ist an der Stelle der Einigung die Spaltung in schlimmster Form.
Es muß leider konstatiert werden, mit welcher Befriedigung die Gegner des
Deutschen Reiches diesen inneren Zerfall des Einheitsbewußtseins der Nation
sehen, und es darf behauptet werden, daß drei Jahre schwerer Fehler genügt
haben, das mühsame Ergebnis einer langen Periode schwerer Prüfungen, treuer
Arbeit.für Kultur und Humanität, wie es in dem nationalen, von konfessionellen
Gegensätzen ungeteilten Einheitsgefühl des deutschen Volkes vorlag und
sich nach 1870 in fester Waffenbrüderschaft bewährt hatte, hoffnungslos und
auf Nimmerwiedersehen zu zerstören!"

Wenn Roggenbach auch, wie aus den angeführten Stellen seiner Denkschriften
zu ersehen ist, Bismarcks Regierungshandlungen sehr kritisch gegenüberstand
, wenn er mit seinem Urteil in keiner Weise zurückhielt, so war er
doch eine zu groß und vornehm angelegte Natur, als daß er sich in seiner Zurückgezogenheit
Haß und Rachsucht hingegeben hätte, als daß er sich in seinen
Schmollwinkel verkrochen hätte. 1895 schreibt er: „Dafür fehlen mir Personen

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