Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1954-02/0034
Ja, ich lieb' sie — es verfolgen
mich viel andre schöne Damen,
keine, selber nicht die stolze,
weinesreiche Mosel tilgt mir
die Erinn'rung an die schmucke
Feldbergstochter, an die Wiese.
Und wenn ich im Sand von Holland
müd die müden Wellen schleppe
und die WindmühP trocken klappert,
überfliegt mich's oft wie süßes
Heimweh nach der Jugendliebe,
und es tönt mein dumpfes Rauschen
weithin durch die kahlen Felder,
weit hinaus bis an die Nordsee,
aber keiner dort versteht mich."

Unwillkürlich mag sich bei der Niederschrift dieser Verse das Bild der
bräutlichen Wiese in des Dichters Phantasie mit demjenigen seiner Base Emma
Heim, der „holdseligen Schwarzwaldlieb'", verwebt haben, einer Liebe, der
das Leben freilich die Erfüllung versagt hat. Scheffel und Emma konnten
ebensowenig zu einer dauernden Vereinigung kommen wie Hebel und Gustave
Fecht; wie letzere haben sie sich jedoch ein Lebenlang innere Treue gehalten.

Noch einmal übrigens hat der Gedanke an Hebel und die Beschäftigung
mit ihm dem Autor des „Trompeter" und „Ekkehard" über eine schwere
Herzenskrise hinweggeholfen. Im März 1860 war Scheffels Werbung von
Julie Artaria in Heidelberg zurückgewiesen worden, weil das junge Mädchen
sich bereits an einen anderen Mann gebunden fühlte. Die Absage traf den
empfindlichen Dichter gleich einem Keulenschlag. War es doch nicht das erste
Mal, daß seine um Liebe und Ehe kreisenden Erwartungen in dieser Weise
zerknickt wurden. Der Tiefgetroffene suchte Vergessen auf dem stillen Inseleiland
Frauenchiemsee, wo kaum etwas anderes zu vernehmen war als „Glok-
kenklang, Nonnenchoral und Vogelsang". Die Mutter, überzeugt davon, daß
sich der Sohn am ehesten im Zwang der Arbeit wieder zusammenraffen würde,
machte Joseph auf die bevorstehende Feier des 100. Geburtstages J. P. Hebels
aufmerksam, bei der das Hebeldenkmal in Hausen enthüllt werden sollte. Sie
ermunterte ihn, zu dieser „Zentral-Hebelfeier", deren Festausschuß der Schopf-
heimer Amtmann von Porbeck, ein Bekannter der Familie Scheffel, präsidierte,
einen poetischen Beitrag zu liefern. Scheffel ging auf den Vorschlag ein und
schrieb in den letzten Apriltagen 1850 den ziemlich umfänglichen, in alemannischer
Mundart verfaßten „Festgruß", der in der Chiemseeluft ohne Unterbrechung
gedieh. Am 1. Mai konnte der Verfasser seiner Mutter mitteilen:
„Für das Hebelfest habe ich, deiner Mahnung getreu, ein lustiges großes
Gedicht zusammengestoppelt . . . wie dem alten Dichtergreis, der jetzt Schulmeister
auf dem Morgenstern ist und seine Kinder alemannische Lieder singen
lehrt, die Nachricht der Säkularfeier gebracht wird und wie er seinen Segen
erteilt." Der Beitrag war für das „Festalbum" gedacht, auch rechnete Scheffel
damit, daß das Gedicht beim „Festmahl" vorgetragen würde. Leider konnte
ich bisher noch nicht feststellen, ob dies tatsächlich geschehen ist, halte es
aber für unwahrscheinlich, besonders weil der „Festgruß" für diesen Zweck
entschieden zu lang war. Dafür wurde das Gedicht bei einer internen Hebelfeier
der Familie Scheffel in der Karlsruher Stephanienstraße von dem Vater
des Dichters persönlich vorgelesen. Josephine Scheffel berichtet darüber: „Joseph

70


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1954-02/0034