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Das Markgräflerland: Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur
21.1959, Jahresband, Ortsgeschichte von Egringen.1959
Seite: 51
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/mgl-1959/0053
Elsaß hatte fünf Sechstel seiner Menschen eingebüßt, die Herrschaft Hochberg
zwei Drittel, das Markgräf lerland mehr als ein Drittel. Immerhin kehrten aus den
Fluchtgebieten nicht mehr alle Dorfbewohner zurück. Manche fanden in der
Schweiz durch Heirat eine Unterkunft und blieben, andere fanden Arbeit im
Handwerk und blieben auch.

Umgekehrt aber wanderten zahlreiche Schweizer ins Markgräflerland ein. Wir
fragen, aus welchen Gründen das Einströmen in das zerstörte Land erfolgte und
warum sie die Sicherheit ihrer eidgenössischen Heimat aufgaben. Wir erfahren
darüber folgendes: Im Jahre 1653 war in den Herrschaften Bern, Luzern, Solo-
thurn und Basel ein Bauernaufstand ausgebrochen; die Getreidelieferungen nach
dem deutschen Kriegsgebiet hatten aufgehört, und es war eine Wirtschaftskrise
eingetreten. Zum andern war der Kurswert verschlechterter Münzen herabgesetzt
worden; die Obrigkeit nahm sie nur binnen weniger Tage in Zahlung zum vollen
Wert an; zum dritten waren die altüberkommenen Volksrechte nach und nach
zurückgedrängt worden. Die Bauern kamen in Erregung auf großen Versammlungen
zusammen, und es bildete sich ein Bund des Volks im Gegensatz zum Bund
der Herren. Der Bauernführer war der Emmentaler Klaus Leuenberger, der Generaloberste
Hans Emmenegger aus dem Luzerner Gebiet. Nach anfänglichen Erfolgen
, die das Bauernheer bis vor die Mauern Berns führte, rückte ein Aufgebot
des Bundes unter dem Züricher General Werdmüller ins Bernbiet ein und zwang
die Bauern zur Unterwerfung. Der Kirchhof von Herzogenbuchsee war der
Schauplatz der letzten verzweifelten Gegenwehr. Die Luzerner fügten sich einem
Schiedsspruch der katholischen Orte, die Basler gaben sich mit etlichen Zugeständnissen
zufrieden und die Solothurner ebenfalls. Die Rache der Obrigkeiten
war hart. Hinrichtungen, Verbannungen, Vermögenseinziehungen, Auferlegung
hoher Geldstrafen verbreiteten Angst und Schrecken, und viele fanden es geraten,
den Staub der Heimat von den Füßen zu schütteln und sich in der Fremde eine
neue Heimat zu suchen. Manche der Namen dieser Flüchtlinge haben sich bis
heute bei uns erhalten.

Die andere Ursache war eine kurzfristige Ausweisung der zahlreichen Wiedertäufer
im Staate Bern. Etwa 800-1000 Täufer zählte man im Emmental und im
Berner Oberland. Sie lebten im Gegensatz zum Staat, weil sie sein weltliches Recht
bestritten und sich gegen Schwören, Huldigungseid und Waffentragen wandten;
zur Kirche, weil sie den Predigerstand und die Kindertaufe bekämpften. Sie gingen
mit ihren Forderungen auf das Urchristentum zurück, und aus dem unerbittlichen
Ernst heraus, mit dem diese Forderungen aufgestellt wurden, ist es wohl zu begreifen
, daß die Täufer sich auszeichneten durch ein überaus kraftvolles Familien-
und Gemeinschaftsleben, durch Sittenreinheit, Fleiß, Sparsamkeit, Tüchtigkeit in
ihrem friedlichen Berufe der Landwirtschaft, durch unbedingte Ehrlichkeit in
Handel und Wandel, auch in der Entrichtung von Steuern und Abgaben. Sie versagten
sich allen militärischen Forderungen, legten auch in ihren Kreisen an die
Obrigkeiten den unerbittlichen Maßstab des Christentums an und hielten sich so
innerlich frei von dem absolutistisch werdenden Staat. Sie waren jederzeit bereit,
den Wanderstab zu ergreifen und sich lieber in ferner Fremde und Wildnis in
ihrem Glaubensleben ungehindert zu bewegen, als ihre Glaubenswelt, die ins
tätige Leben drängte, zu verleugnen. Daher auch die Bereitwilligkeit zur Auswanderung
nach Amerika. In katholischen und evangelischen Staaten wurden sie
mit Todesstrafe bedroht. Aber Todesstrafe und Verbannung wirkten nichts oder
nicht viel. Nach 1695 wies Bern seine Täufer binnen Monatsfrist aus, nach 1710
wurden sie zwangsweise abgeschoben. Unter dem Druck der Regierung verließen
die Anhänger der radikalen Richtung (Fußwaschung vor dem Empfang des
Abendmahls, Absonderung von der Welt, Strenge in der Kleidertracht) die
Heimat; sie wurden aufgenommen in Holland, in Preußen, im Elsaß und in der

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